Eine Frau bringt ihrem Bruder die Nachricht vom Tod des Vaters. Man hat sich lange nicht gesehen, anfangs sind Schüchternheit und Entfremdung spürbar, aber nach und nach setzt sich ein Gefühl der Solidarität, der „Brüderlichkeit“ an die Stelle der Distanz. Die Schwester (Amal Omran) wird den Bruder, einen schlanken, bärtigen Mann (Houssein Almoreey), sogar zärtlich umarmen, auf der Suche nach Geborgenheit. Der tote Vater, „großgewachsen und gutaussehend“, war Offizier in der syrischen Armee. Der Riss, der durch die Gesellschaft geht, spaltet auch die kleine Familie. Das Stück von Rafat Alzakout und Amal Omran, die auch die Schwester spielt, heißt „Ya Kebir“, zu Deutsch: „Oh Herr!“ Der Herr ist offenbar (auch) der Vater.
Später in der Publikumsdiskussion im Theater an der Ruhr wird jemand feststellen, dass vermutlich jeder in Syrien ein Tagebuch über den Bürgerkrieg verfassen könne, von dem der Bruder in „Ya Kebir“ meint, dass er nie zu Ende gehen werde. Eine Art imaginäres kollektives Journal ist die Basis für diesen Text des Collective Ma’louba – aber auch für jedes andere Stück, das im Rahmen des kleinen Festivals Theaterlandschaft Mittelmeer zur Aufführung kam, ob aus Irak, Libanon, Syrien oder Tunesien. So ähnlich sind einander die Erfahrungen, die die Menschen in...