Diskurs
Asoziales, Bibel, Zeitbilder
Dem Dramatiker Lothar Trolle zum 80.
von Thomas Irmer
Assoziationen: Akteure Berlin Lothar Trolle
Erschienen am 22.1.2024
Jüngst gab es von ihm das Stück „Torsten“ zu sehen, als Berliner Premiere im Theater unterm Dach. Bereits 2020 uraufgeführt von der Hallenser Theatergruppe AGGREGATE in der Regie von Silvio Beck, musste die Inszenierung die Corona-Krise und ihre Folgen für die Freie Szene erstmal abwarten. Das Stück ist ein typischer Trolle-Text: Halb dokumentarisch und halb erzählt zeichnet er das Leben des kriminellen Hochstaplers Torsten Schmitt nach. Der Osten einmal anders, denn dieser Torsten aus Dessau wird nach DDR-Kinderheim und Dienst in der Fremdenlegion zu einem hochtrabenden Strippenzieher, der bundesdeutsche Behörden strammstehen lässt. Als sein Alias Dr. Becker vom Auswärtigen Amt duldet er keinen Widerspruch, Dienstwagen und Luxushotels fliegen ihm nur so zu. Im Subtext erkennt man die brüchigen Verhältnisse im Osten nach der Wende, wo Leute um ihre Jobs bangen und subalterne Beamte aus dem Westen auf ihren neuen Posten kein Widerwort nach oben riskieren. Der Hauptmann von Köpenick in der Wiedervereinigungsvariante. Als Schmitt dann einen NATO-Gipfel in Mecklenburg-Vorpommern zu organisieren beginnt – er musste sich offenbar in der Dimension seiner Hochstapeleien immer weiter steigern –, ist Schluss. Zu lebenslanger Haft mit Sicherheitsverwahrung verurteilt, gelingt ihm aber noch einmal die Flucht. Vermutlich lebt er heute nach einem Deal mit der...
Erschienen am 22.1.2024