Gespräch
Gespräch mit Eugenio Barba, Odin Teatret
von Siegmar Schröder und Eugenio Barba
Erschienen in: Wir haben es einfach gemacht! – Reisen in internationale Theaterwelten (07/2024)
Siegmar Schröder _ Wir trafen uns das erste Mal vor 41 Jahren in Bologna. Wie war die Situation damals in Italien? An was erinnerst du dich?
Eugenio Barba _ Italien unterschied sich damals kulturell und politisch stark von anderen europäischen Ländern; das hatte bestimmte Ursachen: Es begann in den 1960er Jahren, noch vor den 68ern, als ein Theaterkritiker, Franco Quadri, sich mit zwei anderen Theaterkritikern zusammentat. Er war ein sehr bekannter Zeitungskritiker damals, zuerst bei Panorama und dann bei La Repubblica. Was war los? Viele Avantgardekünstler spielten Theater außerhalb der traditionellen Spielstätten. Sie arbeiteten in allen möglichen Räumen: Garagen, Werkstätten, kleinen Fabriken und vor allem in Kellern. Deswegen hießen sie in Italien und besonders in Rom I Teatri delle Cantine (Kellertheater). Zu dieser besonderen Entwicklung des italienischen Theaters zählten etwa 15 bis 20 Künstler, zum Beispiel Carmelo Bene. Das Besondere war aber, dass so ein bekannter Kritiker wie Quadri sich dafür interessierte, was das „Neue Theater“ genannt wurde („Il manifesto per un nuovo teatro“ 1966), und ganz Italien dazu aufrief, sich anzuschauen, was dort passierte. Das war der eine Faktor, den es so in anderen europäischen Ländern nicht gab: Ein traditioneller Theaterkritiker, wahrscheinlich zu der Zeit der bekannteste, besuchte...