Der Vorhang hebt sich lange nicht. Nur roter Samt wallt vor den Augen des Publikums, während Faust die berühmten Verse vom Studium und von der pudelschen Kernenergie deklamiert. Die Welt des Doktors bleibt Geheimnis, ja Verheißung. Dem Auditorium kommt dabei die Rolle Wagners zu, der am Vorhang zerrt wie am Rockzipfel seines Meisters, um nur einen Blick auf das Verheißungsvolle zu erhaschen.
Peter Konwitschny, gefeierter Regisseur zahlreicher Opernskandale, inszeniert Goethes „Faust“. Den ganzen. Und es ist nach einem starken Grazer „König Lear“ erst seine zweite große Sprechtheater-Arbeit. Schon lange vor dem „Lear“ war Konwitschny in Graz kein Unbekannter mehr: An der hiesigen Oper debütierte er 1991 mit „Die verkaufte Braut“, es folgten u. a. „Die Entführung aus dem Serail“, „Aida“ und ein gefeierter „Falstaff“. Nachdem schon das Publikum der „Aida“ sich lautstark über Koks beim Triumphmarsch beschwert hatte und über ein Schwert, das man aus der Scheide (einer Priesterin) zog, gilt der Regisseur hierzulande inzwischen als Grazer Entdeckung. Man hat ja einen Ruf zu verlieren: als Ort der Gegensätze und Sprungbrett der Genies. Der „Faust“ ist folglich ausverkauft – und das liegt eben nicht nur an den Deutschlehrern, die ihren Gymnasiasten endlich mal Anschauungsmaterial zur Pflichtlektüre bieten können.
All dem...