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Linzers Eck: Flachzangen feiern Triumphe
Das Deutsche Theater Berlin untersucht die opake Welt des Kapitalismus
von Martin Linzer
Erschienen in: Theater der Zeit: Frontmann Hamlet – Der Dresdner Musiker-Schauspieler Christian Friedel (03/2013)
Früher war das so: Wollte ein Theater etwa ein Stück von Shakespeare aufführen, das im antiken Rom spielte, so untersuchte das Team unter Anleitung des Dramaturgen die gesellschaftlichen Verhältnisse im antiken Rom, dann die im alten England, um herauszufinden, was den Autor am alten Stoff vor dem Hintergrund der eigenen gesellschaftlichen Realität gereizt haben könnte. Erst dann fragten sich die Macher, was sie daraus für die Analyse (oder Kritik) der gegenwärtigen politischen, ökonomischen oder sozialen Verhältnisse in ihrer Interpretation des Stücks gebrauchen könnten.
Ich habe den Eindruck, dass diese Praxis (sie war kein Alleinstellungsmerkmal der alten DDR) heute nicht mehr üblich ist. Nicht nur aus Dummheit und/oder Denkfaulheit, sondern vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Paradigmenwechsels. Der gefühlte gesellschaftliche Stillstand, der Utopieverlust haben nicht nur zu einer allgemeinen Politikverdrossenheit, sondern zu einem Verfall historischen Denkens geführt. Sieht man aber Geschichte nicht mehr als komplexen dialektischen Prozess, sondern nur noch als Kontinuum sich ständig wiederholender Machtkämpfe, verliert man auch das Vertrauen in die Veränderbarkeit der Welt. Da werden dann Denkprogramme (etwa des dialektischen und historischen Materialismus) abgelöst durch Computerprogramme (Google, Wikipedia). Die Vertreter des daraus resultierenden flachen Denkens nennt der Berliner Flachzangen.
Anschaulich lässt sich das am aktuellen Programm des Deutschen Theaters...