Magazin
Errettung der Tradition
Zum Tod des Philosophen und Herausgebers Rolf Tiedemann
von Jakob Hayner
Erschienen in: Theater der Zeit: Franz Rogowski: Der Schmerz des Boxers (09/2018)
Dass das, was einmal treffend gedacht ward, nicht in Vergessenheit gerät, erfüllt einzig den Begriff der Tradition mit Sinn. In dieser Hinsicht war Rolf Tiedemann ein Erretter der Tradition. Vor allem jener, die mit ihren Protagonisten Theodor W. Adorno und Walter Benjamin aus Deutschland und Europa vertrieben wurde oder in den Pyrenäen den Tod fand. Der 1932 in Hamburg geborene Tiedemann studierte in den sechziger Jahren bei den aus der Emigration zurückgekehrten Adorno und Max Horkheimer in Frankfurt am Main. Seine Dissertation war die erste überhaupt zum Werk Benjamins, Adorno – dessen Mitarbeiter und Assistent er geworden war – schrieb selbst das Vorwort für die Publikation im Hause Suhrkamp. Für denselben Verlag übernahm Tiedemann die Herausgabe der gesammelten Schriften Benjamins und auch Adornos nach dessen Tod 1969. Später baute er das Frankfurter Theodor W. Adorno Archiv auf und betreute die Herausgabe von Adornos nachgelassenen Schriften. Großfragmente wie Adornos „Ästhetische Theorie“ und Benjamins „Passagen-Werk“ konnten durch seine Arbeit einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.
Als Tiedemann dann gegen Suhrkamp Partei für die Erben Benjamins ergriff, kam es zum Bruch mit dem Verlag, seine weiteren Schriften erschienen bei der Münchner edition text+kritik. Seine dort von ihm herausgegebene Reihe „Dialektische Studien“ beschäftigte sich...