Die 1960er und 1970er Jahre
Theater gegen die Apartheid
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
In Südafrika hatte es seit dem frühen 20. Jahrhundert, neben der von Schwarzen geschriebenen anti-kolonialistischen Dramatik,182 mehrere Ansätze eines kritischen Theaters gegeben, darunter in den 1930er und 1940er Jahren, von Piscator und Meyerhold angeregt, offen politische Agitprop-Sketche.183 Nach der Gesetzgebung von 1948, die die Apartheid zu einem rigiden Regime verfestigte, entfaltete sich in den urbanen Zentren eine intensive widerständige Darstellungskultur. Singegruppen entstanden in jedem Straßenwinkel der Townships, sprachen von einfachen Dingen ihrer eigenen Lebenswelt und über besondere gesellschaftliche Ereignisse. Dramatische Sketche schlossen oft die theatralen Aktionen ab. Das 1959 produzierte Jazz-Musical KING KONG markierte deutlich das enorm gewachsene kulturelle Selbstbewusstsein der schwarzen Südafrikaner.184
In diesem Kontext entwickelte sich eines der wohl bedeutendsten Theaterphänomene der zweiten Hälfte des Jahrhunderts – Produktionen, die die Unterdrückung der Schwarzen und die generelle Entfremdung im Apartheidregime offen kritisch verhandelten, vornehmlich gespielt von schwarzen Darstellern, die tagtäglich die katastrophale Entfremdung buchstäblich am eigenen Körper durchlebten. Die Inszenierungen entstanden kollektiv im Probenprozess, wurden erst später als Stücke schriftlich fixiert. Der Schauspieler, der agierende Körper stand im Zentrum der Darstellungen, stellte das Artistische, das Darstellen offen aus und kommentierte zuweilen, antillusionistisch in direkten dialogischen Beziehungen zu den Zuschauern stehend, seine Arbeit. Man spielte...