Protagonisten
Der Essayist als Epiker
Friedrich Dieckmann zum 80. Geburtstag
von Gunnar Decker
Erschienen in: Theater der Zeit: Playtime! – Der Theatermacher Herbert Fritsch (05/2017)
Assoziationen: Akteure
Das erste Mal traf ich Friedrich Dieckmann 1996 zu einem Gespräch für die neue deutsche literatur. Da war er Ende fünfzig und sah – wie heute immer noch – mindestens zehn Jahre jünger aus. Wir saßen in seinem kleinen Besucherzimmer gleich neben dem Wohnungseingang, eine Art Empfangsraum für jene Art Gäste, die zum ersten Mal die Schwelle übertraten und bei denen ungewiss schien, ob sie zum zweiten Mal Einlass finden würden. Der Hausherr selbst blickte sich um, wie man sich in selten genutzten Räumen umblickt, zog beliebig einige Büche aus dem hinter ihm stehenden Regal. – „Kennen sie die? Nein? Macht nichts, das waren vor einer Reihe von Jahren einmal vieldiskutierte Bücher, aber heute sind sie vergessen.“ Wir schwangen uns ein auf das Schicksal von Büchern, hinter denen doch immer auch das Schicksal der Schreibenden steht.
Das Gespräch schlug weite Bögen, die Dieckmanns weitem Horizont entsprechen, von Schiller zu Schubert und von Wagner zu Hacks. Immer ist da die Musik im Spiel, auch wenn er über Literatur, über Theater, Oper, bildende Kunst, Architektur oder Geschichte spricht und, mehr noch, schreibt. Und dennoch, der Humanist im Geiste eines Erasmus hat Sinn für die schroffen Brüche in geschichtlichen Kontinuitäten, die schwierigen...