LETTLAND
Theater der Wendezeit
von Guna Zeltiņa
Erschienen in: Recherchen 61: Landvermessungen – Theaterlandschaften in Mittel- und Osteuropa (12/2008)
In Lettland verursachte die schockartige ökonomische Krise am Beginn der neunziger Jahre für einen starken Publikumsrückgang in den Theatern. Inzwischen hat sich das Theater in Lettland, wie das Theater in den baltischen Staaten im Allgemeinen, den neuen marktökonomischen Verhältnissen angepasst und ist dank geistiger und kultureller Erneuerungsprozesse zu neuem Selbstbewusstsein gelangt. Einzelne kleine, projektbasierte Theatergruppen, die in den neunziger Jahren entstanden, haben die Zeiten der ökonomischen Krise überlebt, manch andere Gruppe wurde nach ihrer Aufhebung neu gegründet. Inmitten der Zwänge einer wachsenden Konsumgesellschaft hat in den letzten Jahren der kreative, identitätsstiftende Selbstbestimmungsprozess auf lettischen Bühnen eine neue Qualität erreicht und beschäftigt sich mit dem Selbstfindungsprozess einer kleinen multiethnischen Nation im erweiterten europäischen Raum. Dabei stellt sich für dieses neue Theater die Frage, worin seine Attraktivität eigentlich liegt – in der Angleichung an den europäischen Mainstream oder vielleicht gerade in der Einzigartigkeit des Eigenen? Diese Frage wird in den Theatern Lettlands eng begleitet von der Suche nach einer ästhetischen Sprache. Die Entwicklung neuer Ausdrucksmitteln hat sich besonders in den letzten Jahren intensiviert. Die Regiehandschriften der jungen und mittleren Künstlergenerationen sind dabei – wie überall – von den Tendenzen des postdramatischen Theaters geprägt.
Lettisches Theater war nie besonders bestrebt, eine soziale oder...