Theater der Zeit

Look Out

Die Lehre der Tiere

Der Schauspieler und Autor Oleg Zhukov lässt sich nicht fangen – nur suchen

von Friederike Felbeck

Erschienen in: Theater der Zeit: Frontmann Hamlet – Der Dresdner Musiker-Schauspieler Christian Friedel (03/2013)

Oleg Zhukov ist immer sichtbar und unsichtbar zugleich. Mit 16 Jahren wandert er Ende der neunziger Jahre mit seiner Familie von der ukrainischen Schwarzmeerküste ins niederrheinische Voerde aus. Am Theater Oberhausen spielt er schon bald im Jugendclub. Nach der Schule beginnt er zunächst eine Ausbildung zum Bewegungspädagogen, aber eine Dramaturgin erinnert sich an ihn, als die Figur des jungen Robin in Sarah Kanes „Gesäubert“ besetzt werden soll. Die Aufführung wird ein großer Erfolg. Dort sieht ihn Werner Schroeter, und so beginnt mit der „Göttlichen Flamme“ eine langjährige und intensive Arbeitsbeziehung. Zuletzt dreht er mit Schroeter den Film „Diese Nacht“.

Daneben gibt Zhukov die ersten Fernsehrollen – Klischees ohne Ende erwartet man von ihm: polnische Kleinkriminelle auf der Flucht vor deutschen Kommissaren oder zwielichtige Typen mit starkem osteuropäischen Akzent. Erst sehr spät wagt ein Tatort-Redakteur, ihm die Rolle eines Pathologen anzubieten. Während eines zweijährigen Engagements am Theater Aachen bekommt er den letzten Feinschliff. Rollen wie Raskolnikoff oder der Tempelherr in „Nathan der Weise“ liefern ihm das, was er sich am meisten vom Theater wünscht: etwas, worüber man sich den Kopf zerbrechen muss. Aber bald zieht es ihn wieder ins Freie. Er unterrichtet an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Bonn, spielt in der freien Szene, als Gast an verschiedenen Stadttheatern, unter anderem in Peter Steins Inszenierung „Die Nase“ am Opernhaus Zürich. Nun hat er sich mit seinen Mitstreitern aus frühen Theatertagen zum russisch-deutschen Ensemble Subbotnik zusammengeschlossen. „Die Sehnsucht des Menschen ein Tier zu werden“ ist die erste gemeinsam mit dem Komponisten Kornelius Heidebrecht und dem Regisseur Martin Kloepfer entwickelte Produktion, die gerade im Forum Freies Theater Düsseldorf und im Ringlokschuppen Mülheim gestartet ist. Seine Figur eines Aussteiger-Menschen, der in den Wald auswandert, um bei Tieren in die Lehre zu gehen, ist so intensiv wie unspektakulär. Sein Spiel ist fein und deutlich, angreifbar und filigran. Seine Stimme kommt immer ganz nah und klettert einem buchstäblich ins Ohr. Er flüstert, bekennt und fleht – in einer quasi Hochzeitszeremonie fragen ihn die Tiere, ob er mit ihnen leben möchte: „Ja, ich will!“ Dann tanzen sie, Elche, mit zu Geweihen geformten Händen, einen Brunfttanz in einem Wald aus Birken, die von der Decke der Kammerspiele in Düsseldorf hängen.

Dass er ganz nebenbei auch noch schreibt, macht für Oleg Zhukov keinen großen Unterschied. 2008 veröffentlicht er seine erste Kurzgeschichte, „Lustdorf 1992“, in der er in die alte Heimat zurückkehrt. Prompt gewinnt er den Kunstpreis der Stadt Viersen. Sein bislang einziges Stück „Nordstadt“ wird beim Literaturwettbewerb für Autorinnen und Autoren mit Migrationshintergrund „In Zukunft“ am Westfälischen Landestheater Castrop- Rauxel vorgestellt. Inzwischen schreibt er an seinem ersten Roman – über das Leben im fernen Odessa, wie er es kannte, und wie die Stadt langsam mutiert zu etwas Unkenntlichem und Fremdem. Seit vergangenem Jahr ist er Stipendiat des Literarischen Colloquiums in Berlin. „Die mich lieben, werden mich finden, die kennen ja meinen Geruch“, sagt er ein wenig wehmütig, bevor er sich aufmacht, ein Tier zu werden. //

TdZ-Termin: „Wegschließen – und zwar für immer“ am 1., 3. und 30. März 2013 am Freien Werkstatt Theater Köln.

teilen:

Assoziationen

Neuerscheinungen im Verlag

Cover Recherchen 167
Cover Rampe vol.2
Cover B. K. Tragelehn
Charly Hübner Buch backstage
Cover XYZ Jahrbuch 2023
Recherchen 162 "WAR SCHÖN. KANN WEG …"
"Scène 23"
"Zwischen Zwingli und Zukunft"
Recherchen 165 "#CoronaTheater"
"Die Passion hinter dem Spiel"
Arbeitsbuch 31 "Circus in flux"
"Passion Play Oberammergau 2022"