Theater der Zeit

Das Urheberrecht für Werke der darstellenden Kunst

von Christoph Nix

Erschienen in: Theaterrecht – Handbuch für Theatermacher (05/2019)

Assoziationen: Recht

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Was wird durch das Urheberrecht geregelt?

Betrifft es nur den Theatertext oder auch dessen Umsetzung?

Welche Rechte habe ich als Bühnenkünstler oder -angestellter?

Die darstellende Kunst beschäftigt sich mit szenischen Vorgängen:

„Im deutschen Urheberrechtsgesetz findet sich hierfür kein entsprechender Begriff. Die szenische Darstellung ist heutzutage mehr als die Kombination verschiedener Kategorien, insbesondere von Sprachwerken mit pantomimischen Werken, Werken der Tanzkunst sowie Film-, Musik- und Klangwerken. Während Filmen vom Urheberrechtsgesetz eine detaillierte und besondere Regelung (§§ 88 bis 94 UrhG) zuteil wird, findet das Bühnenwerk keine besondere Regelung. Obwohl die das Bühnenwerk auslassende Aufzählung in § 2 UrhG nur beispielhaften Charakter hat, bestehen offenbar Schwierigkeiten, das Bühnenwerk (d. h. die schöpferische Inszenierung) in seiner Eigenständigkeit voll zu erfassen und zu würdigen. Dem wird nicht gerecht, wer das Bühnenwerk (nur) in seine Bestandteile (Sprachwerk, mimische Darstellung, Choreografie, Pantomime, Musik, Videoeinspielung, Performance u. a.) zerlegt.“

(Steven Reich: Der Künstler und sein Recht. 3. Auflage. München 2014.)

Das Textbuch ist Sprachwerk; das Spiel der Schauspieler nach den Anweisungen der Regie ist Interpretation des Textes; das Bühnen- und das Kostümbild sind Werke der bildenden Künste. Die Inszenierung ist im modernen Regietheater nicht bloß werkgetreue Interpretation des Textbuches, der Regisseur nicht nur (nachschöpfender) Interpret, sondern selbst Schöpfer, beispielsweise, aber nicht nur bei der zeitgemäßen Deutung klassischer Werke. Denn die Inszenierung ist ein komplexes Werk: Sie verbindet die künstlerischen Einzelleistungen zu einem fertigen Ganzen und hat sich längst weit vom altmodischen Deklamationstheater entfernt, das sich in der Aufführung von Texten erschöpfte. So ist auch die Auffassung der beteiligten Kreise, die in den üblichen Regiewerkverträgen von der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der Inszenierung ausgehen. Konzeption der szenischen Darstellung, der schauspielerischen Einzelleistungen mit der sprachlichen und mimischen Darstellung, die Ausstattung (wie z. B. Bühnenbild, Kostüme, Maske etc.) und weitere schöpferisch gestaltete und zusammengefügte Einzelleistungen bilden eine moderne Bühneninszenierung. Diese ist Gesamtkunstwerk.

Die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes im Einzelnen

Vor diesem Hintergrund sollte es daher der Rechtsprechung und Rechtslehre keine Schwierigkeiten bereiten, die schöpferische Leistung des Bühnenregisseurs als Regiewerk urheberrechtlichem Schutz zu unterstellen. So kann die Inszenierung als schöpferische Bearbeitung eines Werkes gemäß §§ 3, 2 UrhG anzusehen sein. Die Werkqualität einer Bearbeitung ist anhand der Maßstäbe des § 2 Abs. 2 UrhG zu bestimmen. Der Katalog des § 2 Abs. 1 UrhG ist dabei nicht abschließend. Maßgeblich ist, dass die Umgestaltung als wahrnehmbare persönliche geistige Schöpfung einen gewissen Eigentümlichkeitsgrad und eine hinreichende schöpferische Eigenprägung aufweist. Allerdings hat in der Berufungsinstanz das OLG Dresden dem Regisseur dieser Operetteninszenierung den Schutz der Integrität seiner Inszenierung vor Entstellung aufgrund des Leistungsschutzrechtes aus § 83 UrhG zuerkannt und über die Schutzfähigkeit des Regiewerkes nicht entschieden. Das LG Frankfurt hatte ebenfalls einer Regieleistung urheberrechtlichen Schutz zuerkannt. Das OLG Frankfurt hatte diese Entscheidung aufgehoben, führte hierzu allerdings aus, der Regisseur könne einen Urheberschutz an seiner Regieleistung „ausnahmsweise“ dann erwerben, wenn es sich um eine grundlegende schöpferische Neugestaltung der bühnenmäßigen Ausdrucksmittel handele. Dem liegt die unrichtige Auffassung zugrunde, dass selbst die schöpferische Verwendung bekannter Ausdrucksmittel nicht ausreiche. In der Rechtslehre setzt sich die Auffassung immer mehr durch, dass der Theaterregisseur eine schöpferische Leistung erbringt und ihm ein Bearbeiter-Urheberrecht zuzuerkennen sei. In der Inszenierungspraxis erwirbt der Regisseur häufig urheberrechtlichen Schutz durch schöpferische Bearbeitungen gemeinfreier Texte. Rein handwerksmäßige Änderungen, insbesondere durch die Umsetzung in die bühnenmäßige Aufführung, technisch bedingte und jedem Regisseur ohne Weiteres geläufige Änderungen, ferner bloße Weglassungen ohne individuelle gedankliche Leistung oder umgekehrt einfache Beifügungen ohne eigenen geistigen Gehalt und ohne schöpferischen Einfluss auf den Werkinhalt und dessen Gestaltung können nicht als persönliche schöpferische „Bearbeiterleistung“ anerkannt werden.

Die Bühnenaufführung ist auf die verschiedensten schöpferischen Beiträge angewiesen. Auch diese Einzelschöpfungen genießen urheberrechtlichen Schutz. Hierzu zählen die Bühnenbilder, Kostüme, Masken, Bühnenmusik, Choreographie und die originelle Einzeldarstellung. In letzterem Bereich sehen Rechtsprechung und Lehre Raum für Zweifelsfälle.

So wird zwar die pantomimische Darstellung, also das stumme Spiel, als eigenständiges Werk in § 2 Abs. 1 Nr. 3 UrhG aufgezählt. Das mimische Spiel des (sprechenden) Schauspielers dagegen wird nicht als dessen eigene schöpferische Leistung aufgefasst, sondern als bloßer Bestandteil des Vortrages eines vorgegebenen Sprachwerkes. Dem kann in dieser Ausschließlichkeit nicht gefolgt werden. Das Textbuch gibt zur Mimik und Gestik kaum konkrete Anweisungen. Die gelungene Darstellung zeichnet sich aber gerade durch entsprechende Leistungen des Schauspielers aus. Nicht selten werten große Schauspieler so Texte geringeren Niveaus in der Darstellung auf. Urheber dieser originellen Gestik und Mimik ist der Schauspieler, mitunter auch der Regisseur.

Neue Probleme wirft auch die Nutzung der Leistungen der künstlerischen Mitarbeiter insbesondere durch das in Mode gekommene Public-Viewing, Streaming oder im Social-Media-Bereich (Facebook, Instagram etc.) auf. Werden nämlich persönliche, geistige Schöpfungen erbracht, gilt § 2 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Beispielsweise Bühnenbildner, Kostümbildner, Licht-Designer, Dramaturgen und ähnliche Personen können Urheber sein, wenn ihre Arbeitsergebnisse persönliche geistige Schöpfungen darstellen. Die ausübenden Künstler, wie der Schauspieler oder der Sänger bzw. Balletttänzer, fallen unter die Regelung des § 73 UrhG. Den Urhebern im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG stehen Urheberpersönlichkeitsrechte, Verwertungsrechte, die auch Vortrags-, Aufführungsund Vorführungsrechte beinhalten, zu. Für sie besteht auch der Schutz des Rechtes der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger und das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und das Recht, ihr Werk öffentlich zugänglich zu machen, worunter insbesondere Public-Viewing sowie die „sozialen Medien“ fallen (§§ 19, 19 a ff. UrhG). Derartige Rechte stehen dem ausübenden Künstler im Sinne des § 73 UrhG zwar nicht zu, dieser hat allerdings ähnliche Leistungsschutzrechte und Verwertungsrechte. So ist er beispielsweise geschützt gegen Beeinträchtigungen der Darbietungen. Die Verwertungsrechte des Leistungsschutzberechtigten umfassen die ausschließlichen Rechte des ausübenden Künstlers, seine Darbietung auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen einschließlich deren Vervielfältigung und Verbreitung. Auch stehen ihm die ausschließlichen Rechte zu, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen (§ 75 UrhG). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass nach § 81 UrhG die Rechte auf Aufnahme, Vervielfältigung und Verbreitung sowie der öffentlichen Wiedergabe neben dem ausübenden Künstler auch dem Inhaber des Bühnenunternehmens zustehen.

Um die Probleme der konkurrierenden Rechte von Bühnenunternehmen und Bühnenmitglied zu regeln, haben die Tarifvertragsparteien in § 8 NV Bühne die Rechteübertragung geregelt. Das Bühnenmitglied überträgt dem Bühnenbetreiber zeitlich, räumlich und inhaltlich unbegrenzt das Senderecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe. Die Übertragung der Rechte ist umfassend. Das Bühnenmitglied muss die Verbreitung dulden. Auch Werbezwecke des Arbeitgebers werden von dieser Regelung erfasst. Dem Bühnenbetreiber steht daher das Recht zu, Aufführungen auf Bildleinwände zu übertragen. Er kann Mitschnitte oder DVDs zu Werbezwecken herstellen und vertreiben. Nach § 8 Abs. 5 NV Bühne sollen zwar die dem Künstler zustehenden Vergütungen mit der vereinbarten Gage abgegolten sein. Jedoch ist zu beachten, dass der Künstler aufgrund der Regelungen der §§ 32, 32 a UrhG die Möglichkeit hat, die Angemessenheit der Vergütung gerichtlich überprüfen zu lassen.

Regelsammlung

Der Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage e. V. und der Deutsche Bühnenverein haben über die Kosten und Modalitäten der Aufführung von Bühnenwerken eine Vereinbarung getroffen, an die sich alle angeschlossenen Theater und Bühnenverlage zu halten haben. Diese Regelsammlung wurde neu verhandelt und ist in der Fassung vom 26. Juni 2017 enthalten.

Im Allgemeinen Teil wird geregelt, wie ein solcher Vertrag zustande kommt: Er muss schriftlich sein (Ziff. 1.1), vor Abschluss des Vertrages darf das Bühnenwerk nur mit Zustimmung des Verlages genutzt werden. Besetzung der Hauptrollen und Regie müssen dem Verlag bekannt gemacht werden (Ziff. 1.3), natürlich sichert der Verlag dem Theater dann zu, dass er auch die Rechte hält (Ziff. 2.1). Die Theater dürfen die Nutzungsrechte nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung an andere übertragen. In einem komplizierten Verfahren wird ermittelt, was das Theater an den Verlag zahlt. Feste Kategorie ist der Begriff der Roheinnahme (Ziff. 13.1), also die Einnahme aus dem Verkauf von Theaterkarten einschließlich theatereigener Vorverkaufszuschläge, dem Verkauf der Gebührenkarten sowie die auf die einzelne Vorstellung anfallenden Platzmieten. Die Höhe der Urheberabgabe richtet sich nunmehr danach, in welche Gruppe das jeweilige Theater eingruppiert wurde. Darauf haben die einzelnen Theater wenig Einfluss. Es gibt insgesamt sieben Gruppen. Der Verlag kann verlangen, dass Mindestabgaben oder Garantien erfolgen (Ziff. 14.8).

Diese betragen z. B. ab der Spielzeit 2018/19 bei über zweihundert Plätzen wie folgt:

Gruppe I und II

231 €

Gruppe III

183 €

Gruppe IV

146 €

Gruppe V

110 €

Gruppen VI/VII

  92 €

Studiopauschalen gibt es bei Spielstätten mit bis zu 99 Plätzen:

Gruppe I und II

214–264 €

Gruppe III

178–217 €

Gruppe IV

142–178 €

Gruppe V

102–120 €

Gruppen VI/VII

    77–92 €

Die Einteilung in die jeweiligen Gruppen ist logisch nicht immer nachvollziehbar. So sind z. B. das Deutsche Theater Berlin und die Münchner Kammerspiele in der Gruppe I, die Volksbühne Berlin und das Schauspiel Leipzig in der Gruppe II, in der Gruppe IV, sind das Staatstheater Kassel und das Theater Konstanz und zahlen mithin die gleichen Abgaben. Freie Gruppen oder private Theater handeln die Abgaben frei aus. Zumindest für Theaterkollektive und freie Gruppen können die Zahlen der Gruppen VI/VII eine Orientierung sein.

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