Frühkapitalistische und nationalstaatliche Ordnung der Dinge
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Der spezifische Rationalismus des neuen wissenschaftlichen Denkens und die unbedingte Hinwendung zum Wirklichen, Wahren der Dinge sowie die mit ihm verbundene Normierung und Disziplinierung des Theaters waren kulturelle Komponenten in dem mehrdimensionalen Faktorengeflecht, mit dem sich die Frühgestalten des Kapitalismus ausbildeten.55 Neben der Akkumulation des Geldkapitals56 dürfte „ein besonderer Geist“ oder „die Wirtschaftsgesinnung“ ein „zweiter ausschlaggebender Faktor“ gewesen sein, wie Josef Kulischer nicht zuletzt mit Bezug auf Max Weber notierte. Der bürgerliche Geist kommt in den Tugenden der Vertragstreue und Wirtschaftlichkeit (Fleiß und Sparsamkeit) zum Ausdruck. „Der Bürgergeist ist rational, zweckbedacht, die Rationalisierung der Wirtschaft tritt in der Rechenhaftigkeit aller Vorgänge auf, in der doppelten Buchhaltung, welche über Erfolg und Nichterfolg jeder einzelnen Maßnahme rechnerischen Aufschluß gewährt.“57
Die Rationalisierung der Wirtschaft beruhte aber auch auf der historisch neuartigen Rationalisierung der Zeit. Sie erfasste den unternehmerischen Bürger und den Künstler, Kaufleute und literarisch bewanderte humanistische Intellektuelle gleichermaßen. Weil Zeit der höchst persönliche und innere Besitz des Individuums ist, so Gedankengänge im Vorfeld der italienischen Renaissance, kann man sie leicht verlieren. Alles hängt also vom Individuum ab. Francesco Datini, einer der größten Bankiers und Unternehmer Anfang des 15. Jahrhunderts, pflegte zu sagen, nur der bringe es weiter als...