„Leben Sie in einer Familie? Haben Sie gerne Sex in Gruppen? Sind Sie normal?“ Die Zuschauerinnen werden gebeten, sich zu offenbaren und die Laptopkamera einzuschalten, wenn sie eine der Fragen bejahen. Zögerlich weichen die schwarzen Kacheln des Online-Meetingraums ein paar Gesichtern. Die wenigsten bekennen sich zu den abgefragten Sexualpraktiken; der eigenen Normalität möchte niemand zustimmen.
Was es bedeutet, der Norm zu entsprechen oder mit ihr zu brechen, erforscht die Performerin Jana Zöll in der Online-Produktion „Ich bin“. Dabei bleibt die Autorin, Schauspielerin und Inklusionsberaterin meist unsichtbar. Lieber lässt sie die Identitätszuschreibungen für sich sprechen, die an den Einordnungen „Mann – Frau“ oder „behindert – nichtbehindert“ hängen. Sie bombardiert das Publikum mit Fragen und fordert die gewaltsame Einordnung in Schubladen heraus. Fremd- und Selbstzuschreibungen sind Bausteine der Identität und reduzieren einen Menschen auf wenige Schlagworte. In ihrer künstlerischen Laufbahn wurde die ausgebildete Schauspielerin im Rollstuhl häufig auf ihre Körperlichkeit festgelegt. Bei Engagements an Stadttheatern stand selten ihr Können im Vordergrund, ihr Dasein wurde zum Marker für vermeintliche Diversität.
Jetzt konzentriert sich Zöll auf freie Theaterarbeit und gibt Workshops für Inklusion. In dem von ihr mitgegründeten Leipziger Performance-Kollektiv Polymora Inc. steht eine „mixed-abled“ Produktionsweise, bei der alle ihre Fähigkeiten und Erfahrungen gleichberechtigt...