Wie uns Konventionen beeinflussen und der Kopf den Körper kontrolliert
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Wenn sich der Körper im Sprechen nur bedingt abbildet, bleiben die Äußerungen unverbindlich. Wir haben es nur mit den Gedanken, aber nicht mit der Kraft ihrer Eroberung und Durchsetzung zu tun. Wie sollen Gedanken im Sprechen verkörpert werden, wenn das Denken den Körper nicht ergreift? Das akustische Phänomen dieses Sprechverhaltens besteht in geringer Körperresonanz, wenig Klang und fehlender Durchlässigkeit. Wir können mit den Ohren wenig sehen. Der Informationsaustausch findet hauptsächlich auf der Symbolebene statt, um bei Bühlers Kategorisierung zu bleiben. Die Sprecher bleiben hinter den geäußerten Gedanken zurück. Sie übernehmen keine Verantwortung für ihre Worte. Sie verhalten sich nach dem Motto: Wer mit unseren Gedanken rechnet, muss noch lange nicht mit unseren Körpern rechnen. Auch in der Sprechweise findet sich eine Tendenz zum Unverbindlichen. Der Duktus der Aufzählung, landläufig als Leiern bekannt, signalisiert, dass sich die Sprecher nicht festlegen wollen. Den Gedanken, die sie entäußern, verleihen sie keine Schwere. Alles klingt ähnlich, Wichtiges wird von Unwichtigem nicht getrennt. Die Worte haben kein Gewicht, wie die Sprecher keinen Standpunkt haben. Die Körper sind nicht im Spiel.
Das von Paul Warren für den amerikanischen und englischen Sprachraum beschriebene und in anderen Sprachen häufig zu vernehmende Phänomen des Uptalk sei in diesem Zusammenhang...