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Was tun?
Zum fünfzigsten Todestag des Philosophen Georg Lukács
von Erik Zielke
Erschienen in: Theater der Zeit: Das große Kegeln – Zur Machtdebatte am Theater (06/2021)
Assoziationen: Dossier: Ungarn
Ein Mensch zwischen allen Stühlen – das ist ein reichlich überstrapaziertes Bild. Es noch einmal zu bemühen, ist allerdings verzeihlich, wenn man über Georg Lukács spricht, dessen Standpunkt bei allem weltgeschichtlichen Stühlerücken immer eine Zwischenposition darstellte. Zwischenposition, das klingt nach Kompromiss, soll aber in diesem Fall heißen: Mut zum Widerspruch – und zum Denken in Widersprüchen.
Lukács, dessen Todestag sich am 4. Juni zum fünfzigsten Mal jährt, war Philosoph und Literaturhistoriker. Sein erstaunlich breit aufgestelltes publizistisches Schaffen, das die Disziplinen munter wechselt, berührt an unzähligen Stellen immer wieder eine frühe Liebe des Theoretikers: das Theater. Der junge Lukács unternimmt eigene dramatische Versuche, die allerdings nicht überliefert sind, und arbeitet als Theaterkritiker. Den künstlerischen Ambitionen folgt die lebenslange wissenschaftliche Arbeit, an deren Anfang seine Dissertation mit dem Titel „Entwicklungsgeschichte des modernen Dramas“ (1911) steht. Lukács’ wechselhaftes Leben biografisch abzuhandeln, fehlt hier der Raum. Aber schon einige Schlagworte – Beteiligung an der Errichtung der ungarischen Räterepublik 1919, Leben in Ungarn, Österreich, Deutschland, Russland, sowjetisches Exil während der Hochzeit des europäischen Faschismus, Unterstützung des ungarischen Volksaufstands 1956 – bestätigen das Bild von dem Mann zwischen den Stühlen. Lukács war, wem einfache Formeln nicht zuwider sind, östlicher Vertreter des westlichen Marxismus, ein linientreuer Abweichler,...