Theater der Zeit

„das ist alles von der kunstfreiheit gedeckt …“

über die ästhetik der klimakrise, punkrockmusicals bei amazon, komplexe dilemmata und flugscham

Als Dramaturgin und Kuratorin Nicola Bramkamp diese Runde zusammenbringt, stellt sich aufgrund von Corona zumindest nicht die Frage, ob das Treffen physisch oder per Video stattfindet. Diese versammelten Künstler*innen wissen, wovon sie sprechen, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht: Rimini Protokoll arbeiten seit Jahren zum Thema Theater und Klima; ihre interaktive Inszenierung Welt-Klimakonferenz ist eine der relevantesten Auseinandersetzungen mit der politischen Komplexität dieser gesellschaftlichen Herausforderung. Alexander Giesche, dessen Visual Poems in sinnlicher, assoziativer Weise Themen reflektieren, erschuf in Der Mensch erscheint im Holozän beeindruckende Bilder zur aktuellen gesellschaftlichen Stimmung. Anta Helena Recke öffnet in ihren Arbeiten Erfahrungsräume, lenkt den Blick auf das häufig Verdrängte, so eindringlich geschehen bei Die Kränkungen der Menschheit. Und Jean Peters vom PENG! Kollektiv gelingt es immer wieder, durch Provokation, Fake und gekonnte Inszenierung der Wirklichkeit politischen Aktivismus mit künstlerischen Mitteln zu verbinden. Und so eine nachhaltige Debatte über die großen Fragen der Zeit anzustoßen.

von Anta Helena Recke, Jean Peters, Alexander Giesche, Helgard Haug und Nicola Bramkamp

Erschienen in: Arbeitsbuch 2021: transformers – digitalität inklusion nachhaltigkeit (07/2021)

Assoziationen: Freie Szene Debatte Dossier: Klimawandel

NICOLA BRAMKAMP im Gespräch mit HELGARD HAUG (RIMINI PROTOKOLL), JEAN PETERS (PENG!), ALEXANDER GIESCHE und ANTA HELENA RECKE.

NB: Die Debatte Theater und Nachhaltigkeit ist in vollem Gange. Anfang April gab es beispielsweise eine große Klimawerkstatt der Bundeskulturstiftung, an der sich Theatermacher*innen aller Professionen beteiligt haben. Es ging um betriebsökologische Fragen, darum, wie die Theater als Institutionen nachhaltiger arbeiten können. Aktuell spreche ich mit Wissenschaftler*innen, Theaterleiter*innen, mit Dramaturg*innen, Technischen Direktor*innen und Kulturpolitiker*innen über das Thema, aber erstaunlich wenig mit Künstler*innen. Ich freue mich deshalb sehr, heute mit euch darüber ins Gespräch zu kommen, wie man der Klimakrise künstlerisch begegnen kann. Ich würde gerne mit einer persönlichen Frage anfangen: Was bedeutet die Klimakrise für euch privat? Was für Gefühle löst sie aus, und was für Konsequenzen zieht ihr daraus? Fliegt ihr zum Beispiel noch mit dem Flugzeug?

AHR: Ich fliege noch, und ich schäme mich natürlich jedes Mal – ein gelebter Widerspruch.

HH: Man muss da ganz klar vor und nach Corona unterscheiden, in den letzten zwölf Monaten bin ich fast überhaupt nicht geflogen. Aber normalerweise fliege ich natürlich beruflich. Wir arbeiten international und haben viele Projekte in dieser „easy jet-Mentalität“ geplant, also schnell hin, dann eine kurze intensive Zeit vor...

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