Essay
Einen Toten zum Sprechen bringen
Wie der einflussreichste Theaterregisseur Chiles, Andrés Pérez, für die Kritik an der Regierung mit seinem Leben bezahlen musste.
von Alejandro Moreno
Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: Chile (09/2023)

Chañaral ist ein Hafenstädtchen im Norden Chiles, in der Atacama-Wüste, genau in der Region, in der einmal 33 Bergleute 69 Tage lang eingeschlossen waren, bevor sie lebend gerettet werden konnten.
Jede Theaterfigur geht aus einem Einsturz hervor, und die Dramaturgie ist die Rettung. Derzeit ist Chañaral eine sogenannte „Opferzone“ aufgrund giftiger Rückstände aus dem Bergbau. Die Versauerung des Ozeans zerstört die marine Biodiversität, Silikate färben die Luft immer wieder weiß. Nirgends sonst in Chile ist die Krebsrate so hoch wie in dieser Kommune, in der es aber weder Krankenhäuser noch Onkologen gibt.
In Chañaral steht ein verlassenes Theatergebäude, das Theater Windsor, entstanden 1866, mitten in der Blütezeit des Bergbaus. Seit 1970 ist es geschlossen. Übriggeblieben sind die Ruinen eines erstaunlichen Theaters im Zustand des Zerfalls. Und obwohl es derzeit vollständig mit Taubenkot bedeckt ist, lässt sich die barocke Struktur des Gebäudes noch gut erkennen.
Während ihrer Tournee durch Chile im Jahr 1866 kam die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt zu folgendem Urteil: „Die Chilenen sind grob und kalt; jegliche Intelligenz geht ihnen vollkommen ab.“ Vom Schiff aus, das sie zurück nach Frankreich bringen sollte, sah sie ein Dorf mitten in der Wüste: Chañaral. Sie ließ das Schiff anlegen und sich...