1 Das lose Allianzsubjekt
von Yana Prinsloo
Erschienen in: Recherchen 175: Theaterarbeit – Praktiken der Freien Szene (08/2025)
Freie Theaterpraktiker*innen agieren in Mehrfachbeschäftigungen, sind Produzent*innen ihrer eigenen Performances, sind Dienstleister*innen im Haupt- oder Nebenerwerb, wechseln zwangsläufig zwischen Selbstständigkeit, Erwerbstätigkeit und temporärer Arbeitslosigkeit, zwischen Tätigsein in der Freien Szene, im Stadt- und Staatstheaterbetrieb, an internationalen Bühnen. Sowohl das Arbeiten als auch das Arbeitsverhältnis von Theaterpraktiker*innen ist als atypisch zu bezeichnen und entspricht nicht dem deutschen Standard der Erwerbstätigkeit. Ihr Arbeiten erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und organisatorischem Können sowie die Bereitschaft zur Selbstausbeutung. Diese Form des Arbeitens ist auf rechtlicher, sozialer, kulturpolitischer und ästhetischer Ebene eine von der Öffentlichkeit, den Medien, der Wissenschaft, den Kommunen und Gesetzgeber*innen kaum beachtete Realität, welche die Theaterpraktiker*innen sich durch die eigenständige Arbeitspraktik eines learning by doing (in Grauzonen) erschließen. Aufgrund des Status der Selbstständigkeit bei gleichzeitiger Gebundenheit an (rechtliche und gesellschaftliche) Konventionen und Normen sind diese Arbeitsverhältnisse ein Forschungsgegenstand, welcher Ablösungs- und Wandlungsprozesse im Arbeitsdiskurs im und außerhalb des Theaters sichtbar machen kann.
Das Beispiel eines typischen Tages im Leben einer Freien Theaterpraktikerin verdeutlicht eine Vielfalt von Tätigkeiten und Anforderungen: Morgens kümmert sie sich um den administrativen Teil ihrer Arbeit. Sie korrespondiert mit (neuen) Kooperationspartner*innen, entwirft die nächste Projektskizze, überprüft die Abrechnung eines bereits abgeschlossenen Projekts. Mittags finden die Proben für die...