Auf der Suche nach dem Publikum
Zuschauerräume in der Pandemie
von Ramona Mosse
Erschienen in: Recherchen 165: #CoronaTheater – Der Wandel der performativen Künste in der Pandemie (08/2022)
Assoziationen: Wissenschaft Dossier: Corona
Die immense Auswirkung, die die COVID-19-Pandemie auf Theater- und Kulturleben hatte, wird in ihrer Bildhaftigkeit insbesondere durch leere Auditorien geprägt. Unbesetzte Sitzreihen, hochgeklappte plüschrote Theatersessel und Absperrband in Signalfarben machen klar, wie außergewöhnlich diese Stilllegung öffentlicher Räume von Kunst und Kultur zu Beginn der Pandemie war. Eines der in seiner Symbolik hervorstechendsten Bilder des Theaters in der Pandemie bleibt dabei eine Fotografie radikal ausgedünnter Sitzreihen des Zuschauerraums am Berliner Ensemble, die im Mai 2020 um die Welt ging. Nur noch vereinzelt oder in Paaren stachen die Theatersessel in einem ansonsten vor Leere gähnendem Raum in die Höhe und schienen nicht nur die radikale Veränderung der Pandemie symbolisch aufgreifen zu können, sondern auch das Ende von Theater as we know it zu manifestieren. In ihrer Studie Performen ohne Publikum urteilen Daniel Reupke und Jasmin Goll dann auch:
digitales Theater ersetzt niemals die Materialität einer Aufführung […] Die Räumlichkeit einer Aufführung […] ertrinkt in der Flächigkeit des Laptopbildschirms. Der Sound, der aus den Lautsprechern des Laptops dröhnt, liefert nur einen dürftigen Abglanz des Orchesterklangs […] Die Atmosphäre mag sich bei mehreren geöffneten Tabs und der Möglichkeit, den Stream jederzeit zu unterbrechen, nicht wirklich einstellen.1
Das digitale Theater konnte und kann laut...