1. Theaterarbeit be/werten – Theaterarbeit aus theaterwissenschaftlicher Perspektive
von Yana Prinsloo
Erschienen in: Recherchen 175: Theaterarbeit – Praktiken der Freien Szene (08/2025)
Gestützt auf meine empirische Herangehensweise habe ich beobachten können, dass in der Freien Szene gegenwärtig eine Arbeitsweise dominiert, die auf koproduzierenden, netzwerkartigen und flexiblen Austauschprozessen basiert und primär weniger durch kollektive Verfahren bestimmt ist. Diese Beobachtung stützt meine These zur dominanten Arbeitskultur des losen Allianzsubjekts und soll im Folgenden als »Hintergrundwissen« der Akteur*innen im Feld anhand von drei Schlüsselszenen meiner teilnehmenden Beobachtung kontextualisiert werden.
Theaterarbeit wird in diesem Kapitel als koproduzierendes Verhältnis von Theaterpraktik, Theaterwissenschaft und Kulturpolitik definiert und als Ausdruck eines institutionellen Wandels des deutschen Gegenwartstheaters der Freien Szene reflektiert. Ich möchte mich mit denjenigen Praktiken auseinandersetzen, die Theaterarbeit als Konglomerat aus habitualisiertem Körperwissen, Organisationsstrukturen und Wissenskulturen hervorbringen.
In diesem Zusammenhang werde ich nicht die Wechselverhältnisse zwischen künstlerischem Arbeiten und den gesellschaftlichen, soziologischen Arbeitsdiskursen thematisieren, sondern jene Praktiken derjenigen Akteur*innen aus Praxis, Theorie und Politik in den Blick nehmen, die Theaterarbeit direkt und indirekt bedingen und hervorbringen. Ich definiere Theaterarbeit daher ausdrücklich als ein koproduzierendes Verhältnis, welches sich durch die Arbeitspraktiken der Be/Wertung (Theaterarbeit aus theaterwissenschaftlicher Perspektive, Kapitel 2.1), des Auf/Teilens (Theaterarbeit aus theaterpraktischer Perspektive, Kapitel 2.2) und des An/Erkennens (Theaterarbeit aus kulturpolitischer Perspektive, Kapitel 2.3) charakterisiert. Durch diese Herangehensweise erhoffe ich mir, die Komplexität meines Gegenstands zu veranschaulichen...