Report
Im Wettlauf um Gegenwarten
Die Neustarts am Hamburger Thalia und Schauspiel Hannover im prüfenden Vergleich
von Jens Fischer
Erschienen in: Theater der Zeit: Tilda Swinton – Zwischen Bühne und Film (12/2025)
Assoziationen: Schauspiel Hannover Thalia Theater

Aller Anfang ist Aufbruch und wird zum Start einer Intendanz als Versprechen annonciert, das bei den ersten Premieren bereits als Behauptung zu funktionieren hat. Diese magische Zuneigung auf den ersten Blick will geweckt werden, damit der zweite folgen wird als wundersamer Beginn einer langjährigen Beziehung. Daher setzt Sonja Anders am Hamburger Thalia Theater ihr sechs Jahre am Schauspiel Hannover erfolgreich verfolgtes Konzept fort, kunterbunt vitale Wohlfühlabende für möglichst viele gesellschaftliche Milieus der Stadtgesellschaft zu ermöglichen. Wie funktioniert das an einem Haus, das bisher bundesweit beachtet wurde als Schauspieler:innentheater (Jürgen Flimm), Dramaturg:innentheater zur Durchsetzung neuer Inszenierungshandschriften (Ulrich Khuon) und ein auf Moden und Prominenz fixiertes, politisch virulentes Regietheater (Joachim Lux)? Freut sich das eher etwas ältere Thalia-Publikum, nun etwas beherzter und entkopfter angesprochen zu werden, oder fühlt es sich unterfordert? Und wie reagiert das Hannoveraner Publikum auf den Anders-Nachfolger Vasco Boenisch? Als bisheriger Dramaturg für Johan Simons’ Ruhrtriennalen und dessen Intendanz am Bochumer Schauspielhaus müsste er für ein künstlerisch deutlich herauforderndes Programm stehen.
Boenisch möchte aber erst mal ein Wohnzimmer- als neues Theatergefühl evozieren. Im Erdgeschoss des Schauspielhauses funktioniert das prima, die gelben Garderobenschränke verlieren die Anmutung einer Schwimmbadumkleide, da sie nun mit Bühnenfotos überklebt sind. Um das sachlich weiße, kühn...
















