Magazin
Explosiver Rausch
Das 9. Festival Politik im Freien Theater in Freiburg thematisiert Freiheit als stets unerfüllte Sehnsucht
von Bodo Blitz
Erschienen in: Theater der Zeit: Feuer und Eis – Theater im ostsibirischen Jakutsk (01/2015)
Der blassblaue Himmel: gepixelt, statisch, beinahe virtuell. Schemenhaft recken sich zwei Überwachungskameras in die Höhe. Im Vordergrund: weiße Buchstaben, vereinzelt, in vertikal abfallender Schriftgröße. FREIHEIT. Der erste Buchstabe ein überdimensionales Versprechen, der letzte verschwindend klein. Verstummt die verheißungsvolle Parole?
Das Plakat zum 9. Festival Politik im Freien Theater liest sich als kontroverse Setzung. Und tatsächlich: Im idyllischen Freiburg fokussieren viele Aufführungen primär einen negativen Freiheitsbegriff. Thematisiert werden bestehende Unfreiheiten individueller, familiärer, gesellschaftlicher, politischer, globaler Art. Mit einer enormen künstlerischen Bandbreite eingeladener Produktionen wurde das Festival zum Ereignis: Ästhetisch anspruchsvolles dokumentarisches Theater (Corinne Maier, „Past is Pre- sent“; Milo Rau, „The Civil Wars“) stand neben spielerischer Reflexion gesellschaftlicher Unfreiheit (Nicoleta Esinencu und Jessica Glause, „Dear Moldova, can we kiss just a little bit?“; Béla Pintér, „Unsere Geheimnisse“). Theatralisch brutale Inszenierung jugendlicher Desorientierung und Gewalt (Sebastian Nübling, „Morning“) neben heiter-beschwingter, bewusst fragmentarischer Reflexion postkapitalistischer Ökoprinzipien (Martin Schick, „Not my piece“). Die künstlerisch effektvolle Überhöhung stereotyper Klischees über Menschen mit Downsyndrom (Monster Truck, „Dschingis Khan“) neben einer spielerischen Feier des nackten, endlichen Körpers (Doris Uhlich, „More than naked“). Und nur einmal: politischer Erziehungsdiskurs.
Hans-Werner Kroesingers Berliner HAU-Produktion „Frontex Security“ bildet zwar von der Aufführungsfolge her die Mitte des Festivals; was die Eindeutigkeit von...