Formen des Ausdifferenzierens von Theater
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Die Grenzen zwischen dem theatralen Machen, das eingebettet in gleichsam notwendige (instrumentelle) Tätigkeiten Ziele erreichen soll, und jenem, das sich dominant dem (ästhetischen) Wahrnehmen darbietet/ausliefert, sind nicht immer genau zu bestimmen. Robin Hortons Charakterisierung der Ekine-Gesellschaft der nigerianischen Kalabari dürfte für viele ähnlich geartete Phänomene der Vormoderne, insbesondere ihrer schriftlosen Kulturen gelten: In den Worten Hortons EIN GRENZLAND VON RELIGION UND KUNST.81 Das Ekine-Beispiel könnte aber auch zeigen, dass das ästhetisch dominante Ausüben der besonderen Begabung nicht unbedingt mit berufsmäßigem, von anderen Tätigkeiten entbundenem Spezialistentum gleichgesetzt werden sollte. Die ökonomisch geringe Produktivität erlaubte kleinen, wenig komplexen, arbeitsteilig nur grob strukturierten vormodernen Gemeinschaften wohl kaum oder gar nicht, Akteure zu unterhalten, die nur Theater spielten.82 In diesem Sinne meint Ausdifferenzierung nicht zugleich professionelles Kunstmachen als Lebensunterhalt.
Wie sich die Ausbildung ausdifferenzierter performativer Kunst oder eben von Theater vollzog oder vollzogen haben könnte, hat die Forschung für einige große Formen wie die der antiken athenischen Tragödie und des japanischen Nō-Theaters in Umrissen verfolgen können. Für die Kunst der Geschichtenerzähler-Darstellungen und Preislied-Darbietungen, nicht selten nur als mündliche Literatur gesehen, hat eine vergleichbare Quellensuche, so es sie gab, keine Ergebnisse gebracht. Sie dürften die ersten...