Draußen am Stadtrand Berns, in einem ehemaligen Industriequartier, Vidmar genannt, spielt das Konzert Theater Bern Fassbinders Sozialparabel „Katzelmacher“, und der Besucher aus Berlin denkt sofort, dass dieses Stück hierher gehört. Erster Trugschluss. Der Abend beginnt: Im gleißenden Licht sehen wir die neun Spielerinnen und Spieler wie in Cinemascope aufgereiht in einem rosa Guckkasten à la James Tyrrell (Bühne und Kostüme Aurel Lenfert), der auf zwei Ebenen ein unten und ein oben assoziiert, welches sich jedoch erst in unterschiedlichen Spielstilen herauskristallisiert. Der zweite Trugschluss. Der dritte folgt sogleich, als man sich fragt, wie dieses, einem gewissen „Flachmarktrealismus“ folgende Stück der endsechziger Jahre über den Gastarbeiter Jorgos, der auf eine deutsche Dorfgemeinschaft trifft, heutzutage gegeben werden kann, ohne die rasch nacherzählbare Story ins Reich der Märchen des 19. Jahrhunderts zu verweisen. Hier aber beginnt es spannend zu werden, weil meine Antwort auf einen hochartifiziellen, Betroffenheit konsequent verweigernden Abend hinweist, der die Schwere des Stückes spielend zurücknimmt, ohne den Ernst der Szene zu verraten.
In Bern besteht tatsächlich nicht einmal die Gefahr, Opfer jenes verqueren Fotografismus zu werden, der den Blick des Zuschauers verkrampft und demütigt, meist nur, um ihm zu sagen, was man anscheinend schon lange weiß, nämlich wie blöd und elend...