Theaterpraxis zwischen Tradition und Zeitgenossenschaft
Räume theatralen Ausdrucks in Togo
Institutionen, Infrastrukturen und Orte der Begegnung
von Joël Amah Ajavon
Assoziationen: Afrika
Der theatrale Ort ist unabdingbarer Bestandteil von Theaterpraktiken. Er ist gleichermaßen Grundsituation der Aufführung, als auch Rahmen der Rezeption. In Togo mangelt es an dezidierten Theaterräumen, wie an Theaterinstitutionen mit regelmäßigen Spielplänen. Theaterschaffende nutzen deshalb vorhandene multifunktionale Räume oder sind darauf angewiesen, selbst Räume zu schaffen.
Hinzu kommen soziale Zugangsbarrieren: Das europäische, textbasierte Theater wird hauptsächlich von der togoischen Elite rezipiert. Raum bieten hierfür meist das Institut Français und das Goethe-Institut in Lomé. Diese Orte fungierten vor der Entstehung kleiner privatfinanzierter Kulturinitiativen als Kulturtempel und dienen bis heute als die renommierten Orte Togos für Theaterkunst. Koloniale Kontinuitäten werden über den physischen Ort hinaus auch über die Verwendung der Kolonialsprache reproduziert, eine weitere relevante Barriere. In der vergangenen Zeit haben private Kulturzentren und Festivals durch neue Orte und neue Zugriffe dazu beigetragen, das Theater für größere Bevölkerungsgruppen und vielfältigeres Publikum populärer zu machen und koloniale Barrieren zu überwinden. Die größte Herausforderung in Bezug auf die Theaterräume Togos liegt jedoch im eklatanten Mangel an Infrastruktur begründet. Fehlende geschlossene Räume sorgen dafür, dass Aufführungen witterungsabhängig sind, von Licht und Lärm beeinflusst, häufig mit minimaler technischer und szenografischer Grundausrüstung auskommen müssen.
Dennoch herrscht in Togo, vor allem in der Hauptstadt Lomé, eine rege Theateraktivität an verschiedensten Orten mit unterschiedlichen Infrastrukturen. Zu den privaten Kulturzentren zählt das Espace Level. Es wurde 1999 von Schauspieler und Erzähler Corneille Akpovi gegründet, der traditionelle Malische Ästhetiken Mandigue-Kultur in seine Arbeit integrierte. Es war zunächst Produktions- und Ausbildungsstätte, heute ist es Kulturzentrum und Bühne. Das Kulturzentrum Denyigba eröffnete 2000 und verfügt über eine große Bühne. Es widmet sich der künstlerischen Auseinandersetzung mit der togoischen Identität. Weiterhin gibt es Orte, die der Kultur gewidmet sind, und an private Wohnsitze und die*den künstlerischen Initiator*in angebunden sind, wie z.B. das Maison des Artistes, Sitz des Festivals Les Veilles théâtrales de Baguida, das Adokpo Kulturzentrum, das Kinder- und Jugendzentrum Fiohomé und das Maison de l’oralité Gabité des Erzählers Allassane Sidibé.
Die europäisch-finanzierten Institutionen Institut Français (eröffnet 1963) und Goethe-Institut (eröffnet 1961) sind Orte, an denen die französische und die deutsche Kultur anhand von Sprachkursen und Kulturprogrammen vermittelt wird.
Zuletzt sind einige Festivals zu nennen, die eine zunehmend relevante Rolle als Zentren zeitgenössischer künstlerischer Weiterentwicklung und der Dezentralisierung von Theaterschaffen in Togo einnahmen und -nehmen.
Das FESTHEF (Festival de Théâtre de la Fraternité) bildete sich in Assahoun nördlich von Lomé aus einem Künstlerkollektiv, das ab dem Jahr 1993 einen Künstler*innenort außerhalb der Metropole zu etablieren versuchte. Im Jahr 1999 konnte sich das Festival dank einer EU-Förderung professionalisieren und vergrößern. Die letzte Ausgabe fand 2009 statt, derzeit engagiert sich ein Komitee, um das Festival wieder zu beleben. Das Programm bestritten internationale Performer*innen der Bereiche Theater, Erzählung, Tanz und Figurentheater. Preise für die beste zeitgenössische Dramatik und die beste Regie wurden von einer internationalen Jury vergeben. Begleitend fanden Workshops für Nachwuchskünstler*innen statt. Das FITMA (Festival International de Théâtre de Maison) fand seit 2012 drei Mal ausschließlich in privaten Haushalten in Lomé statt. Als Brücke zwischen Künstler*innen und der Stadtgesellschaft konzipiert, besteht es aus verschiedenen Komponenten wie Theatervorstellungen für junges und erwachsenes Publikum, Vorträgen und Ausstellungen. Das Festival ZEDEKA hat sich zum Ziel gesetzt, zeitgenössische folkloristische Kunst, vor allem für junges Publikum, zu entwickeln und öffentliche Räume zu bespielen. Das FITAP (Festival International de Théâtre et d’Arts Plastique) ist eine interdisziplinäre Biennale, das Künstler*innen aus Theater und Tanz, aus Musik, Kunsthandwerk und Folklore vereinigt. Dieses Festival ist ausgesprochen international ausgerichtet, bisher waren Künstler*innen aus 26 Ländern dabei.
Unbeachtet dieser vielzähligen Aktivitäten bleibt Theater in Togo unterrepräsentiert und hat Mühe, ein größeres Publikum zu erreichen. Die Kulturzentren, insbesondere die privaten, sind wegen der unsicheren finanziellen Situation ständig von Schließung bedroht. Dies betrifft auch die Festivals, sichtbar an der Situation des ehemals größten Theaterfestivals Togos FESTHEF. All dem zum Trotz erfindet sich das togoische Theater immer wieder neu und findet Wege und Möglichkeiten Publikum zu generieren.