Theater der Zeit

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Sie kürzen, wir glänzen

Das Fringify – Independent Arts Festival 2025 zeigt ein Programm, das von künstlerischer Neugier und gesellschaftlicher Dringlichkeit geprägt ist

von Maria Preuß

Assoziationen: Hamburg Dossier: Festivals

In der kurdisch-deutschen Inszenierung „Nachteulen / Kundê Şevê“ wurden gemeinsam mit Kindern aus Altona Rituale, Sorgen und Fantasien rund ums Einschlafen erforscht.
In der kurdisch-deutschen Inszenierung „Nachteulen / Kundê Şevê“ wurden gemeinsam mit Kindern aus Altona Rituale, Sorgen und Fantasien rund ums Einschlafen erforscht.Foto: Juha Hansen

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Vom 5. bis 8. Juni 2025 fand in Hamburg das Fringify – Independent Arts Festival statt – mit regionaler, nationaler und internationaler Beteiligung, 22 Events, elf Spielorten und einem klaren kulturpolitischen Anliegen: Unter dem Motto #radicalcutetogether stand das Festival ganz im Zeichen von Vernetzung, Austausch und gegenseitiger Unterstützung innerhalb der Freien Szene. Ohne thematische Einschränkung, aber mit einer klaren Haltung präsentierten nationale und internationale Künstler:innen unterschiedlichster Sparten ihre Arbeiten.

Die künstlerischen Leiter:innen Ksenia Ravvina und Alexandar Hadjiev senden mit Fringify ein bewusst positives Signal gegen die aktuellen Herausforderungen in der Kulturpolitik. „Sie kürzen, wir glänzen“, so Ksenia Ravvina mit Blick auf bundesweite Einsparungen im Kulturbereich. „Wir möchten trotz der schwierigen politischen Lage ein Zeichen setzen. Mit #radicalcutetogether betonen wir: Wir müssen zusammenhalten und dabei radikal empathisch sein.“

Eine zentrale Konsequenz dieser Haltung war das bewusste Teilen von Ressourcen. Anstelle von Konkurrenzdenken fokussierte man sich gezielt auf Kooperationen – unter anderem mit den zeitgleich stattfindenden Hamburger Festivals wie dem Kurzfilmfestival und dem blurred edges Festival. Eine gemeinsame Party verband die Formate und Publikumskreise. „Für eine dauerhafte Zusammenarbeit haben wir auch den F-Pavillon geschaffen, er gibt der Szene das ganze Jahr über Sichtbarkeit und einen Raum für Austausch“, sagt Alexandar Hadjiev.

Der F-Pavillon in der Sternschanze – einst Autohaus, heute Probebühne und Festivalzentrum – diente als Treffpunkt für die Teilnehmenden des Fringify Festivals. Hier kamen nach jedem Festivaltag die Künstler:innen zusammen und sprachen über ihre Performances. Auch das Publikum war explizit dazu eingeladen. „Uns geht es um den Kontakt zum Publikum. Wir wollen nicht nur für uns produzieren. Wir wollen einen Dialog“, sagt Alexander Hadjiev.

Um möglichst vielen Perspektiven Raum zu geben, verzichtete das Festival auf eine thematische Eingrenzung. Diese Offenheit ermöglichte es, vielfältige künstlerische Stimmen aus unterschiedlichen Communities auf die Bühne zu bringen.

Ein formaler Schwerpunkt lag auf Zugänglichkeit und Inklusion. Alle Produktionen wurden mit Informationen zur Barrierefreiheit versehen, viele Texte standen in Einfacher Sprache zur Verfügung. Zum Auftakt kamen inklusive Gruppen – darunter Crip Art Now! (CAN!), die Chorosom Tanzcompany, das Klabauter Theater sowie das Hamburger Theaterkollektiv Meine Damen und Herren – zu einem Workshop zusammen, um sich über bestehende Barrieren und Lösungsansätze auszutauschen.

Auch auf künstlerischer Ebene spiegelte sich der inklusive Anspruch wider. Die Bandbreite der insgesamt 13 Produktionen war groß: Das kurdisch-deutsche Stück „Nachteulen / Kundê Şevê“ für Kinder ab vier Jahren thematisierte das Einschlafen und Träumen als universelles Phänomen, das von individuellen, kulturellen und politischen Erfahrungen geprägt ist. 

Ebenso hinterfragte die Tanzproduktion „A Place Called Home“ der Hamburger Choreografin Monique Smith-McDowell das vermeintlich allgemeingültige Konzept von Heimat aus individueller und kollektiver Perspektive – begleitet von einer künstlerischen Audiodeskription. 

Ganz viel Nähe entstand in „Prefaby“, einem Miniaturtheaterstück für nur acht Zuschauer:innen. Mit technischer Raffinesse entstand auf einem kleinen Tisch ein winziges Plattenbau-Universum. Das Publikum saß mit dem Performer auf der Bühne und konnte sich so als Teil des Werks empfinden.

Rahmend und konzeptionell passig gab es kurze Audioeinspieler, in denen nach jeder Vorführung zur nächsten Veranstaltung eingeladen wurden. Darin sprachen Ksenia Ravvina und Alexander Hadjiev das Publikum mit „cuties with duties“ an – also lieben Menschen, die Verantwortung tragen. Denn Sanftheit allein reicht nicht – sie muss aktiv verteidigt werden, für alle.

Das unterstreicht auch der Namenswechsel des Festivals, den die künstlerische Leitung schon im vergangenen Jahr angeregt hatte. Nachdem sich das Festival zehn Jahre unter dem Titel „Hauptsache frei“ einen Namen gemacht hatte, ist er für eine diverse und internationale Szene nicht mehr passend. Der neue Name Fringify ist eine bewusste Wortneuschöpfung, abgeleitet vom englischen Begriff Fringe – im Sinne des kulturellen Randbereichs –, der international als Bezeichnung für die freie und unabhängige Szene etabliert ist. Die Endung -ify verleiht dem Begriff performativen Charakter. „Wir wollten ein aktives Wort“, erklärt Ksenia Ravvina. „Denn Kultur entsteht im Miteinander. Fringify lädt dazu ein, aktiv Teil dieser lebendigen Szene zu sein und gemeinsam an der Zukunft einer offenen, diversen Stadtkultur mitzugestalten.“

Mit dem neuen Namen, einem klaren kulturpolitischen Profil und dem großen Kooperationswillen haben Ksenia Ravvina und Alexander Hadjiev bleibende Impulse für einen nachhaltigen Austausch innerhalb der Freien Szene geschaffen. Fringify 2025 zeigt: Sanftheit ist kein Rückzug, sondern eine politische Strategie. Und eine Einladung, die Welt gemeinsam zu gestalten.

Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Medienkooperation entstanden. 

Erschienen am 23.6.2025

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