Wenn er nach vierzig Jahren wieder in Stuttgart inszeniert, geht das nicht ohne Begleittheater. Claus Peymann schimpft über eine „menschenfeindliche Stadt“ und nennt das Verkehrssprojekt Stuttgart 21 eine „Zumutung“. Sodass sich Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann angesprochen fühlt und zürnend kontert, der Bahnhofsneubau sei doch per Volksentscheid beschlossen. Auch hier: große Gereiztheit überall. Peymann und Stuttgart – das ist eine lange Geschichte. 1974 wurde er hier Schauspieldirektor, einen 1977 im Theater ausgehängten Spendenaufruf für die Zahnbehandlung der in Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Mitglieder nahm die Landesregierung dann zum Anlass, den unliebsamen Peymann 1979 loszuwerden. Der damalige Ministerpräsident Hans Filbinger, dessen Vergangenheit als NS-Marinerichter aufgedeckt wurde, trat 1978 zurück. Schnee von gestern?
Vielleicht. Aber das alles schwingt mit, wenn Peymann nach seinem Abschied vom Berliner Ensemble als König ohne Land nach Stuttgart zurückkehrt – just mit „König Lear“, dem Shakespeare-Drama über einen vertriebenen Herrscher. Ein Coup. Hinzu kommt, dass da eine erstaunlich rüstige Altherren-Gang aus Ex-Stuttgarter Weggefährten antritt: Regisseur Peymann (80), Burgschauspieler Martin Schwab (80) und Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann (81).
Was herauskommt: Theater aus einer anderen Zeit. Das in der Gegenwart unter Armin Petras längst postdramatisch gewiefte Stuttgarter Publikum sieht bald, dass Peymann auf szeneübliche Must-haves wie Video, Textumbauten oder genderkorrigierte Frau in der Titelrolle...