Zur Lektüre von der herzerlfresser von Ferdinand Schmalz
Erschienen in: Recherchen 167: Dramatisch lesen – Wie über neue Dramatik sprechen? (05/2023)
Assoziationen: Kritiken
Vielleicht ist das ja die ideale Zeit, um Stücke zu lesen. Jetzt, da die Theater geschlossen sind und es keine Stücke zu sehen gibt. Allerdings – auch auf die Gefahr hin, mich bei Dramatiker*innen unbeliebt zu machen, ja zu diskreditieren – die Lektüre von Theatertexten zählt eigentlich nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen von Kritiker*innen. Zumindest nicht zu meinen. Und ich kenne weder Kolleginnen noch Kollegen, die Gegenteiliges von sich behaupten würden. Stücke zu lesen scheint vor allem: notwendige Vorbereitung auf die zu rezensierende Inszenierung.
Es ist ein bisschen wie beim Kochen. Wer sich ein saftiges Gulasch zubereiten will, muss vorher erst das Fleisch würfeln, Zwiebeln schälen, Knoblauch hacken. Wobei der Vergleich schief ist. Als Kritiker bin ich ja nicht Koch, sondern Konsument. Esser. Im Idealfall Connaisseur, der nicht selbst am Herd steht und vorher das Fleisch filetiert und Gemüse schält. Wohl aber einer, der die Zutaten kennt.
Deren wichtigste ist der Text. Klar, es gibt auch Regisseurinnen und Regisseure, die fade Vorlagen mit allerhand Einfällen zu würzen verstehen, um daraus ein schmackhaftes Gericht zu zaubern. Da wird das Stück dann in viel Regie-Soße ertränkt oder nach allen Regeln des Foodstylings so appetitlich angerichtet, dass dem Gast, dem das Ganze serviert wird,...