Was macht das Theater?
Was macht das Theater, Guo Shixing?
von Dorte Lena Eilers, Hans-Georg Knopp und Guo Shixing
Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: China (12/2015)
Assoziationen: Asien Dossier: Was macht das Theater...?
Guo Shixing, Sie sind einer der bekanntesten Dramatiker Chinas. Was macht für Sie ein gutes Theaterstück aus?
Geist. Woran es dem chinesischen Theater am meisten fehlt, ist Geist. Hegel sagte in seinen „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“: Alles, was in den Bereich des Geistigen fällt, sei China sehr fern. Ich würde das noch um einen Satz ergänzen: Alles geistig Kranke liegt den Chinesen nahe. Dem chinesischen Theater mangelt es an allen Dingen der geistigen Ebene. Der Westen hat sich seit der Renaissance bis heute ununterbrochen mit dem „Menschen“ auseinandergesetzt. Westliche Philosophen und Künstler haben ihre Anstrengungen stets auf den Menschen gerichtet, während wir Chinesen immerfort unseren Blick auf den gesellschaftlichen Wandel gerichtet haben, auf die Produktionskraft, ziemlich materialistisch. Das chinesische Theater reflektiert deshalb eher Fragen, die in diese Richtung gehen, es hat Interesse an der Welt, aber übersieht den einzelnen Menschen in dieser Welt völlig. Deshalb macht man im zeitgenössischen Theater viel Aufheben um den Nationalismus. Dieser unechte Nationalstolz ist lächerlich, kindisch. Wir sind scheinbar taub geworden gegenüber den Leiden, die dem Menschen in der sich fundamental wandelnden Gesellschaft widerfahren, es gibt keine kraftvollen Stücke, die sich damit auseinandersetzen würden. Nur eine Minderheit von Autoren beschäftigt sich damit, aber...