Das Gorki als antifaschistische Heilanstalt betrachtet
von Kevin Rittberger
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Ein Theater ist eine antifaschistische Heilanstalt und eine Schule praktischer Weisheit (nicht: Weißheit).
Das Ätzende ist: Antifaschismus schreiben sich heute auch Faschisten auf die Fahne. Antifaschismus ist Kritik. Kritik kommt von Unterscheidungsvermögen: Faschisten als Faschisten zu erkennen. Fürs Gorki an meinem Text Schwarzer Block arbeiten zu können, hat für mich bedeutet, Vorschläge zu machen, das Unterscheidungsvermögen auf die Bühne zu bringen sowie Teil einer vielstimmigen Verantwortlichkeit zu werden, eine antifaschistische Gegenwelt erscheinen zu lassen. Eine antifaschistische Heilanstalt übt praktisch Solidarität und bietet sichere Räume.
Ein Theater ist eine gesellschaftspolitische Heilanstalt und Instrument der Dekolonisierung.
Das Ätzende ist: Die meisten Leute denken, wenn überhaupt, dann können Kapitalist*innen den Kapitalismus, der ohne Kolonialismus nicht zu denken ist, eher überwinden als Kommunist*innen. Und der Antirassismus der meisten beschränkt sich darauf, die*der nettere Vermieter*in zu sein. „For the master’s tools will never dismantle the master’s house. They may allow us to temporarily beat him at his own game …“ Audre Lordes Worte rufen dazu auf, die Welt zu verändern, ohne die Macht zu übernehmen. Das Gorki ist für mich eine gesellschaftspolitische Heilanstalt, es nutzt heute anderes Wissen – queeres, südliches, indigenes u. a. Neue Tools sind sicher auch andere Wissenssysteme, die den geläufigen Wissenskanon...