Man muss sich Sandro Lunin als einen glücklichen Menschen vorstellen. Nicht, weil er seit neun Jahren Programmchef eines der schönsten Theaterfestivals Europas ist, das alljährlich im August für knapp drei Wochen direkt am Zürichsee stattfindet; und auch nicht, weil auf diesem Theaterfestival als einzigem in Europa auch dieses Jahr wieder alle fünf Kontinente zu Gast sind. Und auch nicht wegen der traumhaft hohen Auslastungszahlen – dies war seit der Gründung im Jahr 1980 fast jedes Jahr so, da hat höchstens mal ein verregneter August einen kleinen Strich durch die Erfolgsstatistik gemacht.
Als ein hastig eingeflogener VIP-Kurator aus Berlin sich darüber wundert, dass ein Abend, bei dem afrikanische Schauspieler eine Art fröhliche Jamsession gegen die weltweite Verdummung durch das Internet feiern, bis auf den letzten Platz ausgebucht ist („In Berlin würden sich das dreißig Nasen anschauen“), geht ein leises Lächeln über das braun gegerbte Gesicht von Sandro Lunin. Doch Kuratorenglück ist etwas anderes, als einem deutschen Kollegen zu erklären, dass „ausverkauft“ beim Zürcher Theater Spektakel fast alltäglich ist.
Dies hat auch damit zu tun, dass das Theater Spektakel seine Wurzeln in den alternativen Entwürfen der achtziger Jahre hat und bis heute als eine der letzten Spielwiesen der kleinen Fluchten fest verankert...