Applied Theatre als kulturpolitischer Hoffnungsträger?
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Projekte des Applied Theatre, die nach dem Grassroot-Prinzip an der sogenannten Basis entstehen, verweisen oft auf ihr Potenzial, den Stimmen und Bewegungen, die innerhalb von Gruppen jenseits der Mehrheitskultur initiiert werden, eine Öffentlichkeit zu geben. Sie verweisen auf ihre vielseitigen Möglichkeiten, marginalisierten Gruppen Präsentationsräume zu verschaffen, was für kulturpolitische Strategien im Kontext der Verhandlung kultureller Vielfalt wertvoll sein kann. James Thompson argumentiert jedoch, dass Applied Theatre meist in die dominierenden politischen und gesellschaftlichen Machtstrukturen eingebunden ist:
Applied Theatre operiert natürlich immer innerhalb der und gleichsam durch die widerstreitenden Diskurse der Situationen, in denen es praktiziert wird. Partizipatives, Workshop-basiertes Theater mag darauf abzielen, einzelnen Personen oder Gruppen dabei zu helfen, eine Kritik der Machtstrukturen zu generieren, innerhalb derer sie leben, aber Institutionen und die in ihnen betriebenen Praktiken sowie das Kommen und Gehen des Applied Theatre werden stets in übergreifende diskursive, politische und kulturelle Prozesse eingebettet sein.300
Seine jahrelange Praxis – insbesondere in Sri Lanka – hat ihn zu der Erkenntnis geführt, dass Applied-Theatre-Projekte an politischen und gesellschaftlichen Ungleichgewichten wenig ändern können: „Eine Frage, die man dennoch stellen sollte, ist die, ob die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktivitäten des Projekts sich in die dominanten Diskurse selbst einfügen (selbst jene, die gegenseitig...