Bericht
Die Gewalt geht vom Volke aus
OST format befragt in einem Hörspiel die Schauprozesse im Dessauer Theater
von Lara Wenzel
Assoziationen: Theaterkritiken Sachsen-Anhalt Dossier: Post-Ost(deutsch) OST format Anhaltisches Theater Dessau
Erschienen am 1.10.2025

Nach sechs Monaten in Haft wird Willi Brundert zu seinem Prozess eskortiert. Doch statt vor einem Gericht hält der Wagen mit dem Professor für Wirtschaftsrecht vor dem Dessauer Theater. „Jetzt wurde mir klar, dass der große Schauprozess, in dem ich einer der beiden politischen Hauptangeklagten war, im Theater stattfinden sollte“, erinnert sich Brundert. 1250 Werktätige hatten im riesigen Saal Platz, um dem Exempel an der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft (Contigas) und zu liberalen SED-Mitgliedern beizuwohnen. Zwölf Jahre nach der Eröffnungspremiere der größten Propagandabühne nördlich der Alpen, der auch Adolf Hitler und Heinrich Goebbels beiwohnten, diente das Theater 1950 abermals der Aufführung eines ideologischen Spektakels.
An einem sonnigen Tag in Dessau legen sich Erinnerungen und Zeugnisse über das brachiale Gebäude und verwandeln den Friedensplatz in einen post-sozialistischen Erinnerungsort. Die Gruppe OST format arbeitet, gerahmt durch geschichtsphilosophische Reflexionen, die Verwobenheit des Ortes mit den einschneidenden Schauprozessen nach stalinistischem Vorbild auf. In ihrem Hörstück „Prozess im Theater“ nähern sich Karoline Stegemann und Johannes Weilandt mit Archivfragmenten einer Rekonstruktion des Gerichtstheaters aus der Gegenwart an. Als Regisseur der juristischen Farce agierte versteckt aus der Intendantenloge Fritz Lange. Der Leiter der Zentralen Kontroll-Kommission, ein Korrektiv der Justiz im Sinne der Partei, schickte Zettel an die Vorsitzende Hilde...
Erschienen am 1.10.2025