Theaterarbeitsrecht
von Christoph Nix
Erschienen in: Theaterrecht – Handbuch für Theatermacher (05/2019)
Assoziationen: Recht Dossier: Tarife & Theater

Welche rechtlichen Grundlagen hat das Theaterarbeitsrecht?
Welche Verträge gibt es? Was steht darin und was bedeutet es?
Was macht das Bühnenschiedsgericht?
Wer vertritt meine Rechte am Theater?
Werkvertrag (am Beispiel Bühnenbildner)
Durch einen Werkvertrag wird der Verpflichtete zur Herstellung des versprochenen Werkes und der Auftraggeber zur Zahlung der entsprechenden Vergütung verpflichtet. Das ergibt sich aus § 631 BGB. Für die Abgrenzung vom Dienst- oder Arbeitsvertrag ist es entscheidend, ob ein bestimmtes Arbeitsergebnis oder ein bestimmter Arbeitserfolg oder eben (nur) eine bestimmte Dienstleistung geschuldet wird. Wird nicht ein bestimmtes Ergebnis oder ein bestimmter Erfolg geschuldet, so kommt regelgemäß kein Werkvertrag, sondern ein Dienstvertrag in Betracht. Die Bühnenbildverträge sind in der Regel Werkverträge. (Es sei denn, ein Bühnenbildner ist festangestellt.)
Der „Bühnenbildner“ bezeichnet keinen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, obwohl die Ausbildungsmöglichkeit an Kunsthochschulen und Kunstakademien besteht. Der „freie Bühnenbildvertrag“ kann Werkvertrag oder auch Dienstvertrag sein, die Übertragung des Urheberrechtes an der Ausstattung gehört mittlerweile zu den Standardverträgen. Dabei sollten sich Bühnenbildner hüten, sogenannten abgespeckten Versionen zuzustimmen. Diese verkommen häufig bei Landesbühnen oder Tourneetheatern zu völlig neuen Standardlösungen.
Da Bühnenbildner oft produktionsbezogen freiberuflich beschäftigt werden, sind an manchen Theatern Bühnenbildassistenten tätig, die als feste Angestellte des Hauses mit den entsprechenden Kenntnissen der internen Gegebenheiten zwischen dem freiberuflichen Bühnenbildner und dem Theater vermitteln. Die Bühnenbildner sollten darauf achten, dass bei Vertragsschluss mit dem Theater ihnen das weitere Urheberrecht zusteht. Die Regie hat das Recht darauf, dass ihre Inszenierungen nicht verändert werden.
Dienst- und Arbeitsvertrag im Kontext des Tarifvertrages NV Bühne
Meist schuldet der Bühnenkünstler keinen Erfolg im Sinne eines konkreten und festgelegten Spielergebnisses. Daher sind die Verträge in der Regel freie Dienstverträge (§ 611 BGB) oder feste Arbeitsverträge (§ 611a BGB). Um es besser auseinanderhalten zu können: Der Arbeitsvertrag ist ein besonderer Fall des Dienstvertrages. Er bindet den Künstler noch stärker in den Arbeitsprozess zu weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit ein, die in persönlicher Abhängigkeit besteht. Dafür erhält der Künstler aber auch einen tariflichen Urlaubsanspruch, Zusatzleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgratifikation. Der individuelle Arbeitsvertrag auf deutschen Bühnen muss wiederum den Regelungen des Tarifvertrages entsprechen, so bei Mitwirkungen, Mindestgagen, Akteneinsichtsrechten etc. Er zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der Theaterkünstler abhängig ist von Zeit und Ort und Planung des Hauses.
Der Normalvertrag (NV) Bühne wurde am 15. Oktober 2002 abschließend verhandelt und ist am 1. Januar 2003 in Kraft getreten. Wir arbeiten hier mit der letzten Fassung vom 1. Dezember 2016 und dieser Text ist auch im Anhang abgedruckt. Mit diesem Tarif- und Vertragswerk wurden die bis dahin selbstständigen Regelungsbereiche Normalvertrag Solo und die Bühnentechniker-Tarifverträge für technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit an Bühnen (Bühnentechniker-Tarifvertrag, BTT) sowie für technische Angestellte mit teilweise künstlerischer Tätigkeit an Landesbühnen (BTTL) aufgehoben und in einem einzigen Regelungswerk aufgenommen. Ebenso sind die Tarifverträge über Nichtverlängerungsmitteilungen, Urlaubstarifverträge oder der Tarifvertrag für freie Tage in den NV Bühne eingearbeitet worden. Bei der Neuordnung des Bühnenrechts haben die alten Hausordnungen oder Bühnenbräuche kaum noch eine Rolle gespielt.
Die wirtschaftlich bedrängte Lage der von der öffentlichen Hand getragenen Theater wirkte sich insgesamt hemmend auf die tarifpolitische Entwicklung aus. Der problematischen Zunahme der Haustarifverträge im Gegensatz zum Einheitstarifvertrag, vor allem an den Bühnen der neuen Bundesländer, konnte nicht Einhalt geboten werden. Die Erhaltung der Spielfähigkeit und damit die Bestandssicherung der Spielstätten hatte Vorrang. Wegen der anhaltenden Finanznot der Kommunen werden die kulturpolitischen Diskussionen von Kooperations- und Fusionsüberlegungen beherrscht, vor allem aus dem Bereich des Kulturmanagements sowie der freien Gruppen, denen sich die Häuser öffnen sollen.
Anwendungsbereich: Ob ein Arbeitsvertrag oder ein freies Beschäftigungsverhältnis vorliegt, hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung davon abhängig gemacht, ob der Arbeitnehmer in die Organisation des Unternehmens und seine Hierarchie eingebunden ist, persönlich abhängig ist oder ob er frei seine Arbeitszeit und seine Leistung bestimmen kann. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung hinsichtlich des Arbeitnehmerstatus gastspielverpflichteter Bühnenkünstler geändert und in differenzierender Weise auch Selbstständigkeit erkannt, wenn eine nur „schwache Weisungsgebundenheit“ eines herausragenden Gastes vorliegt. Die vom Bundesarbeitsgericht aufgegebene Rechtsprechung zur Tarifeinheit betrifft die Rechtsverhältnisse der Theatergewerkschaften nicht. Der NV Bühne gilt sowohl für die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) als auch für die Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e. V. (VdO).
Für die meisten, kontinuierlich Beschäftigten (vgl. unten die Abgrenzung zum Gastvertrag) im Bühnenbereich dürfte außer Zweifel stehen, dass sie Arbeitnehmer, zumindest arbeitnehmerähnliche Personen sind und in einem unselbstständigen Dienstverhältnis stehen.
In § 1 des NV Bühne findet sich eine exemplarische Aufzählung der Solomitglieder (Abs. 2), der Bühnentechniker (Abs. 3), der Opernchormitglieder (Abs. 4) und eine Abgrenzung zu Solomitgliedern mit Gastverträgen (Abs. 5) und Aushilfen (Abs. 5 letzter Satz), für die im Wesentlichen der NV Bühne keine Geltung entfalten soll. Zahlreiche Streitfälle über Puppenspieler, Konzertdramaturgen, Schauspielmusiker, Pressereferenten dürften jetzt der Geschichte angehören, da durch die explizite Nennung in § 1 bzw. das Tatbestandsmerkmal der „Personen in ähnlicher Stellung“ (Chefdisponenten, Chef- und Solomaskenbildner) oder auch Theaterpädagogen eindeutig zum künstlerischen Personal zu zählen sind. Ihre Einstellung unterliegt damit aber auch nicht mehr der Zustimmungspflicht durch die Betriebs- und Personalräte.
So ist konsequenterweise auch die Mitbestimmung von Personalräten bei der Einstellung von Technischen Direktoren zurückgewiesen worden, ebenso ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung des Leiters der Kostümabteilung und ein willkürliches Einsichtsrecht des Betriebsrates in die Gehaltslisten der NV-Bühne-Beschäftigten. Jedoch wird ein Einsichtsrecht des Betriebsrates ausdrücklich bejaht, wenn dieser überprüfen will, ob die Tarifnormen der §§ 58, 67 eingehalten werden.
Zu den geborenen künstlerischen Bühnentechnikern zählen beispielsweise die Technischen Direktoren, die Leiter der Gewerke, die Tonmeister, zu den gekorenen künstlerischen Bühnentechnikern die Bühnenmaler, die Beleuchtungsmeister, Plastiker und Requisiteure, die durch extensive Auslegung des Begriffes Künstlerisches Personal allerdings in wesentlichen Fragen dem Mitbestimmungsbereich entzogen werden.
Betrieblicher Geltungsbereich: Grundsätzlich gilt der NV Bühne nur an Theatern, die von öffentlichen Trägern ganz oder überwiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden. Da sich die Theaterbetriebsformen von den traditionellen (Regiebetrieb, Eigenbetrieb) immer stärker zur Privatrechtsreform der GmbH oder auch des eingetragenen Vereins (e. V.) hin entwickeln, ist der Charakter der Bühne nicht immer gleich auszumachen. So gibt es in der Fachliteratur die Auffassung, dass ein von einer Privatperson getragenes Theater ein Privattheater sei, wenn die Gemeinde, die mitfinanziert, mit weniger als fünfzig Prozent beteiligt ist. Problematisch wird es jedoch, wenn die Gemeinde in den Entscheidungen eine Sperrminorität hat.
Der Arbeitsvertrag: § 2 NV Bühne enthält nunmehr Minima, die einzuhalten sind, wenn es zur Begründung des Arbeitsvertrages kommt. Er bedarf der Schriftform, die als Muster Bestandteil des Tarifvertrages ist. Der Vertrag ist in der Regel zeitlich befristet. Zumindest die Sparte, die künstlerische Tätigkeit und die Gattung oder das Kunstfach müssen schriftlich festgehalten sein. Bühnentechniker müssen im Vertrag die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit festgeschrieben haben, Opernchormitglieder ihre Stimmgruppe und das Tanzgruppenmitglied, ob es auch zu Sololeistungen verpflichtet ist. Die zeitliche Befristung ergibt sich aus dem Interesse der Bühne an Abwechslung und Flexibilität. Damit endet der Arbeitsvertrag in der Regel nicht durch Kündigung, sondern durch Fristablauf. Dennoch gelten besondere Modifikationen bei der Nichtverlängerung, die häufig von Arbeitgeberseite verletzt werden.
Häufig kommt es vor, dass es vor, bei oder während des Abschlusses von Arbeitsverträgen zu Störungen zwischen den Parteien kommt, da Engagements „in Aussicht gestellt werden“, Stücke wieder vom Spielplan verschwinden oder Künstler abgeworben werden. Es kommt auch dazu, dass Intendanten, die grundsätzlich die Vollmacht zum Abschluss von Künstlerverträgen in eigener Verantwortung haben, andernfalls sie nach den allgemeinen Regeln des BGB, der §§ 177 f. BGB als Vertreter mit Anscheinsvollmacht haften, Sparauflagen erhalten oder von ihren Verwaltungsdirektoren dominiert werden.
So finden wir auch im Bühnenrecht faktische Arbeitsverhältnisse, von denen man sich zwar durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen lösen kann, die aber quasivertragliche Ansprüche für die Vergangenheit (Lohnzahlung, Urlaubsansprüche, Leistung) begründen. Zugleich kann die schuldhaft verursachende Partei eines unwirksamen Arbeitsvertrages nach den Grundsätzen von culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsverhandlung) oder nach den §§ 311 Abs. 2 und 3 i. V. m. § 280 BGB zu Schadenersatz verpflichtet werden.
Problematisch ist der Umgang mit Leistungsort oder der Betriebsnachfolge im Zuge von Bühnenauflösungen, Betriebsformänderungen oder Fusionen, für die es im Tarifvertrag keine Regelung gibt. Hat der Arbeitsvertrag zunächst einen Leistungsort genannt, wie z. B. „Städtische Bühnen N.“, so ist entgegen einer alten Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts (Az.: 14/57) der Künstler nicht ohne Weiteres verpflichtet, dauerhaft an zwei oder drei Orten spielen zu müssen. Zwar gilt nach § 7 Abs. 2 NV Bühne eine nahezu uneingeschränkte Mitwirkungspflicht, auch wenn die Bühne nach Abschluss des Arbeitsvertrages andere Bühnen in Betrieb nimmt, doch kann diese Mitwirkung auch von den Tarifparteien nicht vereinbart werden, wenn sie gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Das ist beispielsweise der Fall, wenn etwa in Thüringen Bühnen einer Gesellschaft bis zu hundert Kilometer auseinander liegen.
Zahlreiche Auseinandersetzungen ranken sich um die Fragen, ob und welche Kunstgattungen Bestandteil der Arbeitsverträge geworden sind. Es liegt im Interesse der Arbeitgeber, zunehmend den einzelnen Künstlern alle oder mehrere Gattungen in den Vertrag zu schreiben, damit sogenannte spartenübergreifende Projekte (z. B. Tanz im Schauspiel, Sprechtheater und Musiktheater) nicht extra vergütet werden müssen. Schlager zu singen, gehört nicht zum Kunstfach eines Charaktertenors, selbst wenn es der jeweiligen Stimmlage entspricht. Das BOSchG Frankfurt hat allerdings den Begriff des Musiktheaters weit gefasst, indem Szene und Musik, Avantgarde und Operette, Revue und Tanz, Singspiel und Musical subsumiert werden.
Mit dem NV Bühne wurde die sogenannte Anfängerzeit für Solisten und Bühnentechniker abgeschafft. Da es keine Vergütungs- oder festen Tarifgruppen gibt und der einzelne Künstler und künstlerische Bühnentechniker letztlich auf die individuellen Verhandlungen mit der Bühne angewiesen ist, war es wichtig, eine Mindestgage zu sichern, die in den §§ 58, 67 festgeschrieben wurde und viel zu niedrig war. Mit dem 1. April 2018 wurde die Mindestgage auf 2000 Euro festgelegt. Selbstverständlich können Spielgelder vereinbart werden. In jedem Fall steht dem Solisten nach § 58 Abs. 3 für die Mitwirkung an Doppelvorstellungen (z. B. das an einem Tag zweimal gespielte Weihnachtsmärchen) eine „besondere angemessene Vergütung“ zu. Restriktionen finden sich wiederum in § 58 Abs. 5 und in § 67 Abs. 4. Danach kann die Gage beim neu engagierten Mitglied auf zwölf Monate festgeschrieben werden.
Dem Bühnenmitglied steht Anspruch auf Einblick in die Personalakten zu (§ 3), davon sollte der Künstler auch Gebrauch machen, wenn er den Eindruck hat, dass ungerechtfertigte Ermahnungen oder Abmahnungen aufgenommen wurden. Ebenso hat er i. d. R. einen Anspruch auf Ausübung einer Nebenbeschäftigung, allerdings muss der Künstler dies dem Arbeitgeber schriftlich mitteilen und die Erfüllung der Arbeitspflicht darf nicht darunter leiden (§ 4).
Beschäftigungsanspruch: Zu den wesentlichen Rechten des Bühnenkünstlers gehört der Beschäftigungsanspruch. Dieser ergibt sich allgemein aus den §§ 611, 613, 242 BGB und speziell aus § 54 Abs. 2 NV Bühne. Die genannte tarifliche Regelung in § 54 Abs. 2 NV Bühne entspricht dem, was im Theaterbereich eine lange Tradition hat. Wird ein Bühnenkünstler nicht oder nicht angemessen beschäftigt, so kann ihm dadurch in seinem beruflichen Fortkommen ein Schaden erwachsen. Dieser lässt sich nach der Rechtsprechung typischer Weise im Einzelfall nicht näher belegen, ist jedoch allgemein anerkannt. Dem Künstler wird nämlich die Möglichkeit genommen, seine Kunst öffentlich zu zeigen, sein Können zu beweisen. Er kann seine künstlerischen Fähigkeiten nicht weiterbilden und erweitern. Dadurch können ungünstige Urteile in der Fachöffentlichkeit entstehen. Die Chancen auf dem ohnehin begrenzten Markt für Künstler werden damit beeinträchtigt. Man kann den hier sehr problematischen Begriff des Marktwertes des Künstlers heranziehen, der beeinträchtigt wird. Das gilt insbesondere dann, wenn die Tätigkeit des Künstlers, wie dargestellt, für das Publikum sinnlich wahrnehmbar ist und die Leistung auch dem Künstler differenziert zugeordnet werden kann. Der Anspruch auf angemessene Beschäftigung kann daher auch von solchen Künstlern geltend gemacht werden, die nicht unmittelbar auf der Bühne auftreten, sondern deren künstlerische Leistung wie bei einem Bühnenbildner, einem Licht-Designer oder einem Kostümbildner wahrgenommen werden kann. So ist es auch zu erklären, dass der Beschäftigungsanspruch dem Persönlichkeitsrecht zugeordnet wird, dem der Schutz eines absoluten Rechts zuerkannt worden ist. Hier kommt zum Tragen, dass der Künstler durch seine Tätigkeit auch sein Grundrecht auf Kunstfreiheit wahrnimmt.
Soweit der Künstler eine reale Verhandlungsmacht beim Aushandeln des Arbeitsvertrages hat, ist es sinnvoll, so konkret wie möglich den Umfang und die Art der künstlerischen Aufgabe zu vereinbaren. So sind auch die Rechtsbeziehungen zwischen dem Künstler und der Bühne eindeutiger. Der Anspruch auf angemessene Beschäftigung ist unabdingbar und nicht im Wege von Parteivereinbarungen aufzuheben. Sollte ein Bühnenmitglied keinen Anspruch auf eine Premiere haben, so bedarf eine solche Vereinbarung der Schriftform, im Umkehrschluss hat jeder Solist einen solchen Anspruch. Geht ein Bühnenunternehmer davon aus, dass aufgrund von Besonderheiten im Spielplan der übliche Anspruch von zwei Fachrollen in zwei Premieren pro Spielzeit nicht zu leisten ist, so kann der Anspruch durch besondere Vereinbarung zwar geregelt, aber nicht dauerhaft außer Kraft gesetzt werden. Das BOSchG Frankfurt hat entschieden, dass im Rahmen einer Änderungs-Nichtverlängerungsmitteilung keineswegs der Anspruch auf Besetzung in einer Premiere abbedungen werden kann. Hat ein Gesangssolist Anspruch für die Kunstgattung Spieloper und wird das Musiktheater abgeschafft, so haftet der Theaterträger für den materiellen Schaden.
Die Bühnenschiedsgerichte haben in der Vergangenheit auch stets den besonderen Anspruch von Berufsanfängern auf angemessene Beschäftigung hervorgehoben und die Bühnen an ihre Verantwortung und künstlerische Förderungspflicht erinnert, wobei das BOSchG Berlin es bei Anfängern auch für ausreichend hält, wenn sie in kleineren Rollen (so z. B. der Brandner im „Urfaust“) besetzt sind. Auch ältere Bühnenmitglieder, insbesondere aber nichtverlängerte Solomitglieder haben einen besonderen Beschäftigungsanspruch in ihrer Fachrolle.
Wird durch die Nichtbeschäftigung oder die unzulängliche Beschäftigung eines Bühnenkünstlers eine Minderung seines künstlerischen Marktwertes verursacht, kann er, soweit ein tatsächlicher Schaden eingetreten ist und nachgewiesen werden kann, Schadenersatz verlangen. Der Berufsschaden kann bei der Berechnung bis zu sechs Monatsgagen betragen.
Wird vom Bühnenmitglied angenommen, dass es zur Erfüllung einer ihm zugeteilten Aufgabe nicht verpflichtet ist, so kann es das Schiedsgericht anrufen. Bis zur Entscheidung hat das Mitglied die Aufgabe durchzuführen, vorbehaltlich aller Ansprüche, die ihm aus einer unberechtigten Zuteilung einer Aufgabe gegen den Unternehmer erwachsen. Die Regelung des § 54 Abs. 8 will damit den laufenden Spielbetrieb aufrechterhalten. Aber dem Künstler soll der Rechtsweg offengehalten werden.
Obwohl § 2 Abs. 4a NV Bühne nur noch eine Soll-Vorschrift enthält, besteht Übereinkunft, dass am Bühnenbrauch festgehalten wird, wonach dem Künstler zwei Fachpartien (bzw. Partien oder Rollen) in Premieren je Spielzeit zu übertragen sind. Allerdings gibt es keinen Bühnenbrauch des Inhalts, unter Rollen nur solche zu verstehen, die in Neueinstudierungen gespielt werden.
Ist der Theaterunternehmer dem Beschäftigungsanspruch nachgekommen, so hat er auch für eine angemessene Ansehzeit zu sorgen, die zwar nicht genau von der Rechtsprechung bestimmt ist, aber herausgebildet hat sich die Zeit von Dezember bis Anfang April, will sagen, dass eine Beschäftigung eines für ein Jahr engagierten Künstlers mit einer Rolle in der Sommerspielpremiere in keinem Falle ausreichend ist.
Der Beschäftigungsanspruch gilt selbstverständlich auch für die nichtdarstellenden Bühnenmitglieder. Hier existiert jedoch kein entsprechender Bühnenbrauch. Dabei hat sich auch hier eine Entwicklung ergeben, dass eine Beschäftigung von Dramaturgen, Spielleitern, Bühnenbildnern oder auch Regieassistenten nur angemessen ist, wenn sie wenigstens zwei Produktionen pro Spielzeit betreuen. Wird der Beschäftigungsanspruch verletzt, so steht dem Künstler ein Anspruch auf Berufsschaden zu, der nach § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen ist.
Literaturtipp:
Eine alphabetische Übersicht der Rechtsprechung findet sich bei Rolf Bolwin und Edward Sponer: Bühnen- und Orchesterrecht. Loseblattsammlung. § 54 Rdnr. 96 f.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Die regelgemäße Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist im Bühnenrecht nicht die Kündigung oder der Aufhebungsvertrag, sondern der durch Zeitablauf endende befristete Arbeitsvertrag. Damit ist das künstlerische Personal des § 1 NV Bühne im Sinne einer Existenzabsicherung schlechter gestellt als viele Arbeitnehmer außerhalb der Bühne, aber auch innerhalb des Theaterbetriebes, zieht man Vergleiche mit den Angestellten des Öffentlichen Dienstes oder dem umfangreichen Kündigungsschutz von Orchestermitgliedern (§ 43 ff. TVK).
Der langjährige Bühnenbrauch, wonach den Vertragspartnern rechtzeitig vor Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrages die Möglichkeit einzuräumen ist, ein neues Engagement aufzunehmen bzw. neue Bühnenmitglieder zu engagieren, bestand darin, dass ein für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag um ein Jahr zu den gleichen Bedingungen verlängert wird, wenn eine Vertragspartei bis zum 31. Oktober der Spielzeit keine schriftliche Nichtverlängerungsmitteilung erhält. Dieser Brauch hat Eingang gefunden in den Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht vom 23. November 1977 i. d. F. des TV vom 22. Januar 1991.
Im Tarifvertrag NV Bühne finden wir Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses: im Allgemeinen Teil unter den §§ 42 bis 46 und als Sonderregelungen in den §§ 61 (Soli), 69 (Bühnentechniker), 83 (Chorsänger) und 96 (Tänzer). Wird das Arbeitsverhältnis von den Beschäftigten nicht verlängert, so bedarf es keiner Anhörung. Will hingegen die Theaterleitung einen Bühnenvertrag nicht verlängern, so bedarf es eines formellen Anhörungsverfahrens. Verbessert und ergänzt wurde das Anhörungsverfahren, das einer beabsichtigten Nichtverlängerung vorauszugehen hat. Positiv zu bewerten ist die Einführung einer Ladungsfrist von fünf Tagen vor einer Anhörung. Im Fall einer schriftlichen Verzichtserklärung – die unwiderruflich ist – muss keine Ladung zur Anhörung mehr erfolgen. Der Künstler kann sich von einer Person des Vertrauens, den Spartensprechern oder auch von einem Rechtsanwalt begleiten lassen.
Mag die Kündigung in der Bühnenpraxis keine große Rolle spielen, so ist sie grundsätzlich nach allgemeinem Arbeitsrecht als außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB) aus wichtigem Grund möglich und auch im Tarifvertrag vorgesehen (§ 44 NV Bühne). Zu den wichtigen Gründen gehören insbesondere Tätlichkeiten, erhebliche Beleidigungen, unsittliche Zumutungen, beharrliche Verweigerungen oder schwere Vernachlässigungen der Dienstleistungen. Die Vorschrift orientiert sich im Wesentlichen am Wortlaut des § 626 BGB. Nach § 44 Abs. 1 ist die Schriftform erforderlich, ebenso wie das Vorliegen von Tatsachen, die verifizierbar sein müssen. Die Beweislast liegt beim Kündigenden. Es gibt keine Sonderregelung bei Vorliegen der Verdachtskündigung. Die ordentliche Kündigung ist in § 43 normiert. Sie darf erst zum Schluss eines Vertragsjahres mit einer Frist von sechs Wochen erfolgen. Allerdings muss die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung auch im Arbeitsvertrag schriftlich vereinbart werden. Ausweislich der Protokollnotizen zu Absatz 2 sind betriebsbedingte Änderungskündigungen, die die Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis bezwecken, unzulässig. Im Alltag des Bühnenarbeitsrechts spielt die ordentliche Kündigung nach § 43 NV Bühne kaum eine Rolle, allerdings nehmen betriebsbedingte Kündigungen aufgrund von Spartenabbau und Fusionen zu.
Die Bestimmungen über die Nichtverlängerung befinden sich im Besonderen Teil des NV Bühne und sind unterschiedlich nach Beschäftigtengruppen geregelt (§ 42). Die Regelung des § 61 klärt für Solisten, dass die Nichtverlängerungsmitteilung (NVM) spätestens bis zum 31. Oktober zugegangen sein muss, bei Solisten, die über acht Jahre (Spielzeiten) im Engagement an ein und derselben Bühne sind, muss die NVM der anderen Vertragspartei gegenüber bis zum 31. Juli der jeweils vorangegangenen Spielzeit zugegangen sein. Nach Abs. 3 ist eine NVM gegenüber Solisten, die länger als 15 Jahre (Spielzeiten) bei der gleichen Bühne beschäftigt sind, nicht möglich. Bei länger Beschäftigten können nur sogenannte Änderungsmitteilungen ausgesprochen werden. Insofern existiert eine Rechtspflicht für den Arbeitgeber, den sozialen Schutz des Bühnenmitglieds zu gewährleisten, insbesondere dann, wenn die Bühnenmitglieder das 55. Lebensjahr vollendet haben.
Das Verfahren der Anhörung vor Nichtverlängerung weist zahlreiche Formalitäten auf, die dem Schutz des Künstlers dienen und häufig von den Bühnenleitungen verletzt werden. Die nicht ordnungsgemäße Anhörung führt zur Unwirksamkeit der NVM. Der Inhalt der Einladung muss klar und deutlich sein und erkennen lassen, was der Arbeitgeber vorhat. Dem Anzuhörenden ist auch Gelegenheit zu geben, durch schriftliche Erklärung darzutun, dass er den Spartensprecher oder ein Mitglied der Gewerkschaft bei der Anhörung als Begleiter wünscht, der ebenfalls anzuhören ist. Die Einladung zur Anhörung muss spätestens fünf Tage vor dem Termin vom Arbeitgeber erfolgen. Die Bestimmung des § 61 Abs. 4 S. 3 enthält insoweit eine Fiktion des Zugangs. Letzter Termin für eine Anhörung ist der 16. Oktober bzw. der 16. Juli. Einen Anhörungstermin in den Theaterferien braucht das Mitglied nicht wahrzunehmen. In der Fachliteratur gibt es die Auffassung, dass Intendanten auch die Anhörungsgespräche an untergeordnete künstlerische Mitarbeiter delegieren können, z. B. an den Schauspieldirektor. Designierte Intendanten sind berechtigt, die Anhörungsgespräche durchzuführen und Nichtverlängerungen auszusprechen, wenn sie vom Träger der Bühne bevollmächtigt sind. Das BOSchG Hamburg vertritt sogar die Auffassung, dass nicht einmal die schriftliche Vollmacht im Gespräch vorliegen muss.
Die NVM muss eine künstlerische Begründung enthalten, auch das Anhörungsgespräch darf sich nicht auf formelhafte Angaben beschränken. Etwas anderes gilt nur, wenn die Nichtverlängerung aus Anlass eines Intendantenwechsels ausgesprochen wird: Dann bedarf es keiner künstlerischen Begründung, das Mitglied hat jedoch Anspruch auf Abfindungen nach dem § 62 NV Bühne, je nachdem, wie lange es am Haus war (Abs. 1) und im ersten Jahr ohne Engagement bleibt. Ihm stehen auch Vorschüsse und Umzugskosten (Abs. 2) zu. Für die künstlerisch tätigen Bühnentechniker, den Chor und den Tanz gelten ähnliche (§§ 69, 96), teils aber auch erheblich (§ 83) abweichende Regelungen. Die Regelungen des Kündigungsschutzes (z. B. Kündigungsschutz von Personal- und Betriebsräten) haben bei der Nichtverlängerung keine Bedeutung, da die NVM keine Kündigung darstellt. Aus Gründen des Sozial- und Mutterschutzes haben die Tarifvertragsparteien inzwischen in § 61 Abs. 3 a NV Bühne bei Schwangerschaft der Künstlerin die Möglichkeit des Ausspruchs einer entsprechenden Nichtverlängerung tarifvertraglich ausgeschlossen.
Im Rahmen der Nichtverlängerung von Verträgen spielen die Änderungsmitteilungen eine besondere Rolle. Sollen nämlich die Arbeitsbedingungen eines Künstlers verändert werden, kann ähnlich wie bei der Änderungskündigung des § 2 KSchG eine NVM zur Änderung der Arbeitsbedingungen (sogenannte Änderungsmitteilung) ausgesprochen werden. Dies ist in erster Linie in den in den §§ 61 Abs. 3, 69 Abs. 3 und 96 Abs. 3 NV Bühne genannten Fällen des besonderen Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisse langjährig beschäftigter Bühnenkünstler (Betriebszugehörigkeit von mehr als 15 Jahren bzw. Spielzeiten) möglich. Erst recht ist dies aber auch bei Künstlern möglich, die nur eine kürzere Beschäftigungszeit aufweisen. Bei diesen sind es letztlich zwei Erklärungen, nämlich eine echte NVM zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit geänderten Arbeitsbedingungen. Die gerichtliche Überprüfung kann sich hier nur auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens des Ausspruches der NVM beziehen. Durch die Änderungsmitteilung kann auch eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen – nicht nur des Entgelts – eintreten. Auch eine Veränderung dahin, dass keine künstlerischen Aufgaben erfüllt werden, ist möglich. Das ergibt sich daraus, dass der Anspruch des Bühnenmitglieds nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen besteht. Was als vertragliche Vereinbarung zulässig ist, ergibt sich aus den Regelungen des NV Bühne nicht. Vielmehr ist hier die Bestimmung des § 61 Abs. 3 NV Bühne maßgeblich. Danach können die angebotenen anderen Vertragsbedingungen sich sogar auf eine Beschäftigung außerhalb des Theaters beziehen, wenn der langjährig beschäftigte Künstler noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hat. Auch Tätigkeiten, die nur eingeschränkt Tätigkeiten eines Solisten oder auch nur eines sonstigen Bühnenkünstlers sind, können zum Gegenstand des Änderungsangebots gemacht werden. Allerdings muss bei langjährig beschäftigten Künstlern der Bestandsschutz, wenn sich dies aus § 61 Abs. 3 NV Bühne bzw. den entsprechenden übrigen Vorschriften ergibt, erhalten bleiben. Es ist also nicht möglich, durch ein Angebot eines neuen befristeten Arbeitsvertrages die Wirkung von § 61 Abs. 3 NV Bühne und damit den Bestandsschutz des Künstlers auszuhebeln und die 15-jährige Bühnenzugehörigkeit zu beenden.
Der Inhalt der Mitteilung bezieht sich auf die Änderung der Arbeitsbedingungen. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in einer brandaktuellen Entscheidung die Anforderungen an die Zulässigkeit bzw. an die Wirksamkeit des Änderungsangebots erheblich verschärft, indem es aufgrund § 14 Abs. 1 Ziff. 4 TzBfG klargestellt hat, dass das Angebot auch tatsächlich eine künstlerische Tätigkeit beinhaltet. Das BAG hat nämlich in dieser Entscheidung vom 2. August 2017 klargemacht, dass es verboten wäre, auf dem Wege einer Änderungsmitteilung die Aufgaben eines Maskenbildners in dem Sinne zu beschränken, dass diese keinerlei „berufstypischen“ künstlerischen Merkmale mehr aufweise.
Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob bei der Änderungsmitteilung auch ein sachlicher Grund angegeben werden muss. Während das BOSchG noch am 13. Februar 1991 die Auffassung vertrat, dass es „für die Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung in Gestalt einer Änderungsmitteilung keines sachlichen Grundes bedarf“, hat das BAG hierzu die Gegenauffassung vertreten. Die Anhörungspflicht ist in Privattheatern aufgehoben worden. Weitere Modalitäten über die Berücksichtigung der Theaterferien und die Verhinderung des Künstlers bei Arbeitsunfähigkeit finden sich in § 61 Abs. 5–6. Klagen gegen die NVM sind innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten zu erheben (§ 61 Abs. 8).
Betriebliche Übungen sind rechtlich gesehen Tarifübungen im Bereich der Bühne. Sie liegen aber nur vor, wenn beide Tarifpartner sie kennen und billigen. Im Grunde ist für Bühnenbräuche nur Raum, wenn die gesetzliche Regelung und der Tarifwortlaut nicht zu einer eindeutigen Auslegung führen.
Gastspiel- und Regievertrag: Der NV Bühne enthält für Gastspielverträge nur eine Ausschlussregel. Nach § 1 Abs. 5 gilt der Tarifvertrag NV Bühne grundsätzlich nicht für Gastspielverträge, ausgenommen sind nur die §§ 53 (Bühnenschiedsgerichtsbarkeit), 60 (Vermittlungsgebühr) und 98 (Ausschlussfristen). Gastspielverträge dienen der Ergänzung des ständigen Personals und zur Ausgestaltung des Spielplans mit Bühnenkünstlern. Der Gastvertrag ist also ein zeitlich limitierter Vertrag von weniger als zwölf Monaten. Auch bei den Gastverträgen gibt es dann Dienstverträge, Arbeitsverträge und Werkverträge. Sofern es sich nicht um einen „versteckten Gastvertrag“ handelt, endet er durch Zeitablauf, ohne dass eine NVM ausgesprochen werden muss.
Zu den wesentlichen Inhalten eines Gastspielvertrages gehört die Vereinbarung der Rolle, beim Regisseur die betreffende Inszenierung mit den dazugehörigen Zeit- und Probeplänen, beim Bühnenbildner das auszustattende Stück und ggf. auch der Etat, beim Maskenbildner entweder die Produktion oder sogar die einzelnen Figuren. Der Gast muss vor allem über seine Dispositionsfreiheit verfügen können, das anstellende Haus hat weder die alleinige Priorität, noch kann über den Kopf des Künstlers entschieden werden. Gäste müssen sich meist an anderen Häusern oder in anderen Produktionen verdingen und brauchen daher von der Bühne eine klare Planungsgröße hinsichtlich ihres Zeitbudgets.
Der Gast ist dem Theater nur für die vertraglich festgelegte Probenzeit unbeschränkt verpflichtet, danach muss er nur zu den Vorstellungen erscheinen. Es kann auch eine Anstellung nach NV Bühne neben einem Gastvertrag existieren. Zu beachten sind hier die Voraussetzungen für die anzeigepflichtigen oder genehmigungspflichtigen Nebenbeschäftigungen nach § 4 NV Bühne. Für den Gast besteht grundsätzlich keine Residenzpflicht bei Matineen oder Werbeveranstaltungen. Dies muss gesondert vereinbart und ggf. auch vergütet werden. Der Gast muss sich, anders als der festangestellte Künstler, nicht über Vorstellungsänderungen selbst informieren. Diese Informationspflicht obliegt der Bühne. Der Vorlauf für die Festlegung der Termine, soweit sie nicht vertraglich festgeschrieben wurden, liegt bei zwei bis vier Wochen. Änderungen des uneingeschränkt mitgeteilten Monatsplanes sind für einen Gast nur verbindlich, wenn er zugestimmt hat.
In einer neueren Entscheidung hat das BOSchG Hamburg in Abgrenzung eines freien Dienstverhältnisses vom Arbeitsvertrag hervorgehoben: „wenn statt der freien Tätigkeitsbestimmung die Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation vorliegt, die sich im Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit zeigt“, handelt es sich immer um einen Gastspiel-Arbeitsvertrag, unabhängig davon, wie stark die wirtschaftliche Dependenz des Beschäftigten von der Bühne ist.
Mit dem Urteil des BAG vom 7. Februar 2007 vollzieht sich ein deutlicher Paradigmenwechsel. Ein Sänger, der als Gast am Staatstheater Kassel beschäftigt war, klagte späterhin auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Während das Landesarbeitsgericht (LAG) noch ein festes Arbeitsverhältnis zu Grunde legte, da der Sänger im Probenzeitraum weisungsgebunden und in den Alltag des Theaters integriert gewesen sei, lehnte der 5. Senat des BAG diese Auffassung ab. Das Gericht stellt nunmehr auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt ab – und dabei weniger auf den Probenzeitraum denn auf die Aufführungen der Inszenierung:
„Die Bewertung der persönlichen Abhängigkeit darf nicht allein nach dem zeitlichen Umfang der Tätigkeiten erfolgen. Stehen die Aufführungen als Vertragsgegenstand ganz im Vordergrund, sind sie neben den in zeitlicher Hinsicht überwiegenden Proben zumindest gleichwertig (…). Die Gesamtwürdigung ergibt eine selbstständige Tätigkeit. Die Weisungsgebundenheit war insgesamt nicht so stark, dass sie zu einem Arbeitsverhältnis führt. Sie tritt gegenüber der freien Stellung des Klägers nach dem Gesamtgepräge des Vertragsverhältnisses zurück.“
Die Spruchpraxis des BOSchG wird sich den Argumenten des BAG nicht entziehen können, kommen diese doch auch den realen Lebensverhältnissen von freien Künstlern näher, da es mittlerweile eine große Gruppe von Solisten gibt, die bewusst frei bleiben wollen und sich auch versicherungsrechtlich anders orientiert haben, indem sie z. B. in die Künstlersozialkasse (KSK) einzahlen und sich beruflich zwischen Bühne und Film bewegen. Hier kann und muss man auch die Lebensentscheidung des Künstlers berücksichtigen, der zwar in Proben eingegliedert ist, aber doch grundsätzlich ein freies Dienstverhältnis anstrebt. Die gefundenen Abgrenzungskriterien der sich selbst zitierenden schmalen Rechtsprechung sind nicht immer sozialadäquat, sodass der Gastspiel-Dienstvertrag auch die Lebensplanungspraxis des Solisten mitbetrachten muss. Das BAG hat mit dem jüngsten Judikat mehr Klarheit geschaffen.
Das Fehlen der Arbeitnehmereigenschaft eines Gastes hat Auswirkungen auf seine Möglichkeit der Versicherung bei der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen, auf die ich aber nicht eingehen möchte. Weiter hat das zur Folge, dass die Zuständigkeit der Bühnenschiedsgerichte für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten nicht vereinbart werden kann. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus § 1 Abs. 5 NV Bühne, wonach die Geltung von § 53 NV Bühne und damit auch die der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit im Gastvertrag vereinbart werden kann. Sowohl in § 53 NV Bühne als auch in § 1 Nr. 1 Bühnenschiedsgerichtsordnung (BSchGO) ist jedoch auf § 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) Bezug genommen worden. Nach dieser Vorschrift sind die Arbeitsgerichte nur zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG). Eine Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten der Bühnenschiedsgerichte ergibt sich hieraus nicht. Zuständig sind daher hier im Grunde die ordentlichen Gerichte.
Bei Vorstellungsabsagen wegen „höherer Gewalt“ trägt die Bühne auch dieses Betriebsrisiko. Hat der Gast den Ausfall der Vorstellung zu vertreten, so steht ihm kein Honorar zu, ggf. ergibt sich noch ein Schadenersatzanspruch der Bühne. Bei Vorstellungsgarantien hat der Gast Anspruch auf Vergütung aller Vorstellungen, selbst wenn die Bühne wegen Erfolglosigkeit das Stück absetzt. Gibt der Gast die Partie nicht rechtzeitig zurück, so haftet er für das Engagement einer Ersatzkraft. Sagt das Theater treuwidrig andere Termine ab, so gelten die allgemeinen Regeln des Annahmeverzuges mit der Konsequenz des Gagenanspruches. Spielt der Gast mehr als 72 Vorstellungen, so wandelt sich der Vertrag in ein festes, befristetes Arbeitsverhältnis, ebenso wenn der auf bestimmte Zeit geschlossene Vertrag die Klausel enthält, auch andere, durchaus nur kleinere, Rollen bei Bedarf zu übernehmen. Dem Gast steht nach dem Bundesurlaubsgesetz, aber nicht nach § 33 NV Bühne, ein Mindesturlaubsanspruch zu. Der Anspruch kann nicht abbedungen werden (§ 13 BUrlG). Der Urlaub kann auch an spielfreien Tagen gewährt werden, ist aber zu vergüten.
Zu den Hauptpflichten eines freien Regievertrages (im Gegensatz zum festangestellten Regisseur) gehört es, innerhalb einer bestimmten Zeit, ein bestimmtes Stück zu inszenieren, d. h., es im Rahmen der festgelegten Proben zur Premiere zu bringen. Umstritten ist, ob dem Regisseur selbst ein Urheberrecht an der Inszenierung zusteht. In der Eigenschaft als ausübender Künstler steht dem Regisseur jedenfalls ein Leistungsschutzrecht zu, das auch Abwehrrechte gegen Änderungen verleiht. Unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten ist hier relevant, ob die Bühnenleitung Änderungen an der Inszenierung vornehmen kann (§ 39 UrhG). Das zur Aufführung berechtigte Theater benötigt in der Regel zur Aufführung einer Bearbeitung (§ 37 Abs. 1 UrhG), ebenso zu Änderungen der Inszenierung die Zustimmung des Regisseurs. Kann allerdings der Urheberregisseur einer Änderung des Werkes nach Treu und Glauben seine Einwilligung nicht versagen, so kann das Theater unabhängig von der tatsächlichen Zustimmung, Änderungen vornehmen.
Die Bühne hat selbst entsprechende Mitwirkungspflichten, um die Inszenierung zu ermöglichen. Sie hat ausreichende Probezeiten zu disponieren, ebenso genügend Bühnen- wie Orchesterproben zu planen. Fehlt es hieran, so steht dem Regisseur ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Grundsätzlich unterliegt der Regisseur keinen Weisungen zur künstlerischen Gestaltung. Etwas anderes gilt, wenn er sich mit der Bühnenleitung auf ein Konzept festgelegt hat und dieses Vertragsbestandteil geworden ist. Der Erfolg der Inszenierung liegt im Übrigen im Risiko der Bühne und ist Allgemeinrisiko der Kunstfreiheit. Hier können und müssen in der Regel Regisseure nur an Reputation und Bekanntheit gewinnen, während Intendanten scheitern.
Kollektives Arbeitsrecht und freie Kunst
In den öffentlich-rechtlichen Theatern und den Privattheatern nicht minder herrscht häufig eine Diskrepanz zwischen dem dem NV Bühne unterliegenden künstlerischen Personal und dem technischen und Verwaltungspersonal, für das andere Tarifverträge gelten (meist TVöD). Das Recht der Personalvertretung ist für öffentlich-rechtlich organisierte Bühnen in den landesrechtlichen Personalvertretungsgesetzen und für privatrechtlich organisierte Bühnen im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Da Theater sogenannte Tendenzunternehmen sind, werden Mitbestimmungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Nahezu ausgeschlossen ist die Beteiligung der Betriebs- und Personalräte beim künstlerischen Personal. Umgekehrt fühlen sich viele Künstler auch von den betrieblichen Interessenvertretungen nicht verstanden.
Der NV Bühne verfügt über ein eigenes, wenn auch schwach ausgebildetes Repertoire an Interessenvertretungsmöglichkeiten. Nach § 6 Abs. 3 muss den Mitgliedern die Möglichkeit gegeben werden, zwei Gruppenversammlungen pro Spielzeit durchzuführen. Hier können Solisten und NV-Bühnentechniker ihre Sprecher wählen. Ausgeprägter hingegen ist die Normierung von Tanz- und Chorvorstand in den §§ 48f. NV Bühne. Eine schwache, eher deklaratorische Vorschrift sagt aus, dass Mitgliedern wegen ihrer Tätigkeit im Vorstand keine Nachteile erwachsen dürfen. Sie ist § 8 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) nachgebildet und findet sich in § 52 Abs. 1 NV Bühne.
Interessanter und auf die Zukunft gerichtet ist die Frage, wie viel innere Demokratie eine staatlich oder privat organisierte Bühne aushält, wünscht oder gar fördert. In der Nachkriegsgeschichte des deutschen Theaters findet sich das Experiment eines Mitbestimmungsmodells am Schauspiel in Frankfurt. Anfangs unter der Intendanz von Peter Palitzsch, später in den Händen eines Direktoriums entwickelte ein ganzes Ensemble in Kunst und Technik ein umfassendes Konzept demokratischen Theaters. Dieser Versuch schien selbst den Tarifparteien zu urdemokratisch, als dass er jemals in tarifliche Gespräche Eingang gefunden hätte. Das Mitbestimmungsmodell in Frankfurt war von 1972 bis 1980 aber die einzig große Herausforderung an Kunst, Demokratie und Arbeitsrecht.
Angesprochen ist daher die Frage, wie das Verhältnis von einzelnem Bühnenmitglied und Kollektiv sich darstellt und ob es Interessenvertretungen im Theater gibt oder geben sollte, die der Einzelne zur Unterstützung anrufen kann. Zunächst einmal ist es wichtig, sich im Arbeitsleben irgendwie zu organisieren. Das ist für Solisten meist schwer und unüblich. Traditionell gibt es die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA), die sich derzeit in einem Verjüngungsprozess befindet und bis vor Kurzem eher von Bühnenmitgliedern gebildet wurde, die aus den Kollektiven wie Chor oder auch Tanz kamen.
Tipp:
Die Website der GDBA enthält eine Übersicht über interessante Urteile, die Bühnenkünstler betreffen: http://www.buehnengenossenschaft.de. Ebenso interessant ist für Schauspieler die Entwicklung des Ensemblenetzwerkes. Hier könnte eine neue Künstlerbewegung entstehen, wenn sich die Akteure nicht zu sehr für ihre eigene Karriere interessieren: http://www.ensemble-netzwerk.de/about/ueber-uns.html.
Innerhalb des Theaters öffentlich-rechtlich organisierter Bühnen gibt es verschiedene Kollektive, die sich rechtlich der Vertretung verschiedener Berufsgruppen verschrieben haben:
1.Personal- oder Betriebsräte werden in öffentlichen Dienststellen oder privatrechtlich-organisierten Betrieben gewählt, wenn es mindestens fünf Wahlberechtigte gibt, von denen drei gewählt werden können (§§ 5 ff. BPersVG bzw. §§ 1 ff. BetrVG). Allerdings sind die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte eingeschränkt. Dies begründet sich in der Idee, dass es Unternehmen gibt, die eine kulturelle, religiöse oder meinungsbildende Tendenz verfolgen, die nicht primär auf Profit basiert, und diese Tendenz besonders geschützt werden muss. Will sagen: Der Intendant mit seinen Dramaturgen und Regisseuren macht den Spielplan, besetzt die Rollen und beteiligt die einzelnen Künstler, wenn er ein guter Intendant ist. Aber nicht der Personalrat wirkt auf die Kunst- oder die Pressetexte oder die Seelsorge ein. Ein großes politisches Verfassungsthema und konkreter ein Auslotungsprozess, welche Freiheit wie im Theater modifiziert ist. Dennoch gibt es Bereiche, an denen der Personalrat mitwirken kann, und es gibt Bundesländer wie Hessen, wo der Personalrat mitwirken muss, wenn der einzelne Künstler es verlangt. Hamburg und Bremen jedoch haben alle Sonderregelungen für Kunstbetriebe suspendiert, sodass in diesen beiden Ländern die volle Mitbestimmung wirkt.
2.Der NV Bühne sieht neben dem Personal- bzw. Betriebsrat sogenannte Sprecher vor. Die Sprecher sind zu beteiligen bei Nichtverlängerungen von Verträgen. Sie können beteiligt werden bei allen relevanten Fragen, die das Ensemble betreffen: z. B. die Disposition des Spielplanes, Besetzungen, Neuengagements, Anschaffungen von Material und Technik oder bei der Organisation der Probezeiten.
3.Weiterhin gibt es die Vorstände von Tanz und Chor. Diese Vorstände haben rechtlich normierte Ansprüche. Ihre Wahl ist in § 48 NV Bühne geregelt, ebenso die Amtszeit und auch Geschäftsordnung und Aufgaben (§ 51). So wirkt der Vorstand bei der Auswahl von Bewerbern in Chor und Tanz mit, auch im Einstellungsverfahren ist der Vorstand nicht nur zu hören, bei den Probendispositionen und dem reibungslosen Ablauf seiner Auftritte und Proben ist der Vorstand durchaus mächtig. Schutzregeln gelten für die Vorstände, die auch auf die Sprecher der Solisten übertragen werden sollten. Ich betone noch einmal: Auf solche Partizipationsmöglichkeiten werden viele Künstler an den Hochschulen überhaupt nicht hingewiesen. Also: Hingehen, kandidieren, mitmischen.
Recht haben und Recht bekommen
Bühnenschiedsgerichte: Nach § 53 NV Bühne sollen alle bürgerlichen Streitigkeiten im Sinne des § 2 ArbGG zwischen den Arbeitsvertragsparteien vor einer eigenen Schiedsgerichtsbarkeit verhandelt werden. Die Vorschrift geht zurück auf den Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit – BSchGO – vom 1. Oktober 1948 und die Tarifverträge über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre vom 30. März 1977. Letztlich ist sie nur eine Verweisungsnorm. Die genannten Tarifverträge bieten im Wesentlichen die Rechtsgrundlage für die Bühnenschiedsgerichte in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt am Main, München und Chemnitz (§ 3 BSchGO/GDBA, sowie § 3 BüSchG/VdO). In Frankfurt befindet sich das Bühnenoberschiedsgericht (BOSchG) für die Beschäftigten nach § 1 NV Bühne, in Köln das Schiedsgericht und das BOSchG für Opernchöre. Da die Bühnenkünstler-Tarifverträge nicht allgemeinverbindlich sind, gilt die Schiedsgerichtsvereinbarung nur zwischen tarifgebundenen Vertragspartnern (§ 101 Abs. 2 S. 2 ArbGG). Sie kann aber auch individual-arbeitsvertraglich in Schriftform vereinbart werden.
Die Schiedsgerichts-Tarifverträge sehen zwei Instanzen vor, die Bühnenschiedsgerichte und das Bühnenoberschiedsgericht. Vertreter der Gewerkschaften und Rechtsanwälte können als Beistände auftreten, es gibt aber keine entsprechende Anwendung des § 116 Abs. 1 ZPO, womit ein Antrag auf Prozesskostenhilfe einer „armen“ Partei nicht möglich ist. Die Schiedsgerichtsbarkeit kann weder im Eilverfahren noch im Arrestverfahren entscheiden.
Hier liegt die alleinige Zuständigkeit bei den Arbeitsgerichten. Ebenso kommt der allgemeinen Arbeitsgerichtsbarkeit die Funktion einer Art Revisionsinstanz zu. Die Regelung des § 110 ArbGG sieht vor, dass durch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht die Aufhebung eines Schiedsspruches verlangt werden kann. Die Tarifparteien haben festgelegt (§ 38 BSchGO/GDBA und § 37 BSchG/VdO), dass die örtliche Zuständigkeit beim Arbeitsgericht in Köln liegt. Die Zuständigkeitsfestlegung hat der Gesetzgeber den Parteien in § 48 Abs. 2 ArbGG eingeräumt.
Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit ist keine staatliche Gerichtsbarkeit. Sie ist eine tarifvertragliche Einrichtung. Ihre Rechtsgrundlage findet sich in Art. 9 GG und damit im Koalitionsrecht der Tarifparteien. Zugleich macht Art. 101 Abs. 1 GG deutlich, dass es keine Ausnahmegerichte in der Bundesrepublik Deutschland geben darf. Aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus hat der Gesetzgeber die Konsequenz gezogen, klare Regelungen über den gesetzlichen Richter aufzustellen. Die private Schiedsgerichtsbarkeit ist mit Art. 92 GG grundsätzlich vereinbar. Niemand darf jedoch gegen seinen Willen dem staatlichen Rechtsschutzsystem entzogen werden. Die Zulassung einer privaten Gerichtsbarkeit an Stelle der staatlichen ist verfassungsrechtlich nur konform, wenn die Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung, die Unparteilichkeit des Schiedsgerichtsamtes und verfahrensrechtliche Mindeststandards gewährleistet sind.
Instanzen im Bühnen-Arbeitsrecht
Für das Bühnenschiedsgerichtsverfahren sind die Vorschriften der §§ 101 ff. ArbGG ein Sondergesetz und zugleich formulieren sie weitere Mindeststandards an die Schiedsgerichtsbarkeit. So müssen die Schiedsgerichte aus einer gleichen Anzahl von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bestehen. Ebenso können unparteiische Personen ernannt werden (§ 103 Abs. 1 ArbGG). § 101 Abs. 2 ArbGG hat eine recht interessante Gruppe von Arbeitnehmern explizit genannt, für die eine Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen sein soll: Bühnenkünstler, Filmschaffende, Artisten oder auch Kapitäne und Seeleute werden besonders hervorgehoben. Der Deutsche Bühnenverein und die damalige Gewerkschaft Kunst im DGB und die Industriegewerkschaft Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst (IG Medien), die heute in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di aufgegangen sind, haben am 12. November 1987 ebenfalls eine Bühnenschiedsgerichtsordnung vereinbart, die jedoch von der IG Medien mit Wirkung vom 1. Januar 1993 gekündigt wurde.
Die Vorschrift des § 53 NV Bühne regelt nunmehr einheitlich für alle Bühnenangehörigen, die nach NV Bühne beschäftigt sind, und für alle tarifgebundenen Theater bzw. deren Rechtsträger verbindlich die Geltung der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit. Dies gilt auch für gastierende Bühnenkünstler (§ 1 Abs. 5 NV Bühne). Ist der Arbeitnehmer kein Mitglied einer (am Schiedsgericht beteiligten) Gewerkschaft, ist mit ihm aber eine gültige Schiedsgerichtsvereinbarung geschlossen worden, wird man dem klagenden Arbeitnehmer im Zweifel das Recht zuerkennen müssen, zwischen der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit und dem Arbeitsgericht zu wählen. Explizit ausgeschlossen sind nach § 1 Abs. 3 BSchGO die Intendanten.
Für die Bühnenleiter (Intendanten) ist in den Intendantenmusterverträgen des DBV oft ein eigenes vertragliches Schiedsgericht vorgesehen. Nirgendwo ist aber geregelt, was für ein Schiedsgericht das sein soll, sodass Rechtsstreitigkeiten zwischen Intendanten und Theaterträgern in der Regel vor der Arbeitsgerichtsbarkeit ausgetragen werden sollten.
Nicht der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen sind bürgerliche Rechtsstreitigkeiten mit Hinterbliebenen von Arbeitnehmern sowie Entscheidungen über urheber- oder leistungsschutzrechtlich begründete Ansprüche auf Zahlung aus einer nicht vereinbarten Vergütung, etwa für die Mitwirkung bei der Fernsehaufzeichnung einer Aufführung.
Die zwei Instanzen der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit: Nach §§ 2 und 3 der Bühnenschiedsgerichtsordnung/GDBA bestehen als erste Instanz sechs Bezirksschiedsgerichte. Örtlich zuständig ist
– das Bezirksschiedsgericht Berlin für die Länder Berlin und Brandenburg, Geschäftsstelle: c/o Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin
– das Bezirksschiedsgericht Hamburg für die Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Geschäftsstelle: c/o LAG Hamburg, Osterbekstraße 96, 22083 Hamburg
– das Bezirksschiedsgericht Köln für das Land Nordrhein-Westfalen, Geschäftsstelle: c/o LAG Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln
– das Bezirksschiedsgericht Frankfurt am Main für die Länder Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, Geschäftsstelle: c/o LAG Frankfurt am Main, Gutleutstraße 130, 60327 Frankfurt am Main
– das Bezirksschiedsgericht München für das Land Bayern, Geschäftsstelle: c/o LAG München, Winzererstraße 104, 80797 München
– das Bezirksschiedsgericht Chemnitz für die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Geschäftsstelle: c/o AG Chemnitz, Zwickauer Straße 54, 09112 Chemnitz
Als zweite Instanz ist das Bühnenoberschiedsgericht Frankfurt am Main eingerichtet. Geschäftsstelle: c/o LAG Frankfurt am Main, Gutleutstraße 130, 60327 Frankfurt am Main.
Die Schiedsgerichte führen im Geschäftsverkehr den Zusatz „DBV/ GDBA“. Der Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre (BSchGTVe) hat ein Bühnen- und ein Bühnenoberschiedsgericht je mit Sitz in Köln. Für jedes Schiedsgericht werden gemäß § 5 ein Obmann, ein stellvertretender Obmann (für das Bühnenoberschiedsgericht/GDBA zwei stellvertretende Obleute) und je zwölf hälftig von der Theaterveranstalterseite und hälftig von Bühnenangehörigen bzw. vom Bühnenverein und der Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer benannte Beisitzer sowie Beisitzerstellvertreter berufen.
Nach § 6 Satz 3 müssen Obleute und ihre Stellvertreter die Befähigung zum Richteramt haben und dürfen nach der BSchGO/GDBA nicht Angestellte oder Beamte von Theaterveranstaltern oder Städten sein. Die Schiedsgerichte/GDBA arbeiten in der Besetzung eines Obmanns und zweier Beisitzer der beiden Seiten. Ist ein Chorsänger oder ein Tänzer in den Streit verwickelt, soll die Seite der Bühnenangehörigen möglichst mit der jeweils betroffenen Berufsgruppe besetzt sein (§ 7 BSchGO/GDBA).
Die Bühnenschiedsgerichte für Opernchöre sind mit einem Obmann und je einem Beisitzer der Theaterleitungen oder der Theaterverwaltungen und einem aktiven oder ehemaligen Mitglied eines Opernchors bzw. einer Tanzgruppe besetzt und sind auf Antrag um je einen zusätzlichen, nicht zu diesen Gruppen zählenden Beisitzer zu erweitern (§ 7 BSchGTVOCh).
Die Heranziehung der Beisitzer zu den einzelnen Sitzungen ist Sache der beteiligten Verbände. Die Mitglieder des Schiedsgerichts können unter denselben Voraussetzungen wie sonstige Richter abgelehnt werden (z. B. wegen Befangenheit). Befangenheit wird aber nicht anerkannt, wenn etwa ein Beisitzer die gleiche Position an einem anderen Theater bekleidet wie der Kläger. Über die Ablehnung beschließt (ohne weiteres Rechtsmittel) die Kammer des Arbeitsgerichts, das für die Geltendmachung des Anspruchs zuständig wäre (§ 103 Abs. 2 und 3 ArbGG).
Anders als in § 12 a ArbGG geregelt, schreiben die Bühnenschiedsgerichtstarifverträge vor, dass Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten die unterliegende Partei zu tragen hat. Nach § 13 Abs. 1 S. 2 BSchGO/ GDBA kann das Gericht in besonderen Fällen etwas anderes bestimmen. § 13 BSchGTVOCh bringt gewisse Einschränkungen des Kostenersatzes. Das Schiedsgericht kann hiernach auch die Gerichtskosten ganz oder teilweise niederschlagen.
Auch die Anwaltskosten sind nach § 13 Abs. 1 S. 1 BSchGO/GDBA der ersten Instanz zu ersetzen, nach § 13 Abs. 1 S. 1 BSchGTVOCh jedoch nicht. Nach § 13 Abs. 1 S. 2 BSchGTVOCh sind auch die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten oder Beistands im zweiten Rechtszug nicht erstattungsfähig. Bei Rücknahme der Klage werden die Gerichtskosten auf die Hälfte ermäßigt. Erfolgt sie vor einer streitigen Verhandlung, werden keine Gerichtskosten erhoben. Kostenvorschüsse sollen nach § 13 Abs. 4 S. 2 BSchGO/GDBA nicht erhoben werden, eine entsprechende Regelung fehlt im Schiedsgerichtstarifvertrag für Opernchöre. Außergerichtliche Kosten können nach § 13 Abs. 5 Unterabs. 1 BSchGO/GDBA nur aufgrund eines rechtskräftigen Schiedsspruchs bzw. Aufhebungsurteils verlangt werden. Über die Festsetzung entscheidet der Obmann der ersten Instanz durch Beschluss. Nach § 13 Abs. 5 BSchGTVOCh sollen die zu erstattenden Kosten allgemein möglichst nach Verkündung des Schiedsspruchs, ggf. durch Beschluss des Obmanns, ziffernmäßig festgesetzt werden. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gesetzlich nur für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung vor staatlichen Gerichten vorgesehen. Die Bewilligung für ein Bühnenschiedsgerichtsverfahren soll eine greifbare Gesetzwidrigkeit sein, die auf die zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors zur Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses und Zurückweisung des Antrags führt. Allerdings wird deutlich, dass das bühnenschiedsgerichtliche Verfahren durchaus verfassungsrechtliche Schwächen aufweist. Gerade die Prozesskostenhilfe sollte den sozial Schwachen im Zivilprozess besser stellen. Sieht man die durchschnittlichen Gagen der Solisten im Schauspiel, so sind gerade die Schwachen durch die Kostenregelung im schiedsgerichtlichen Verfahren deutlich benachteiligt.
Vertreter, Beistände, Sprecher, Rechtsanwälte
Prozessvertreter oder Beistände vor den Schiedsgerichten sind zumeist Angestellte und Beamte der Theaterveranstalter oder es sind Justiziare der Verbände DBV und GDBA (vgl. §§ 14 BSchGTVe). Obwohl § 14 Abs. 1 Ziff. 1 BSchGTVe als geborene Vertreter Rechtsanwälte nennt, muss man feststellen, dass es außerhalb der Verbände kaum Spezialisten im Bühnenrecht gibt. Die Materie ist klein, speziell und bringt wenig Honorar. Allerdings arbeitet die GDBA mit festen Anwälten zusammen und man kann dort auch nachfragen, ob es in der jeweiligen Region Spezialisten gibt. Aber auch Fachanwälte für Arbeitsrecht sollten hier qualifiziert sein. Auch an den Universitäten gibt es bis auf Bremen kein Institut, das sich mit Bühnen- und Arbeitsrecht beschäftigt. Webseiten gibt es einige, aber es ist sicher sinnvoll sich bei Kollegen zu erkundigen.
Rechtsanwälte, die einzelne Künstler vertreten, sind z. B.: Prof. Dr. Jan Hegemann und Steven Reich, ebenso Hanskarl Ganß und Sabine Assmann in Berlin, Dr. Joachim Benclowitz in Hamburg und Gerhard Zahner in Konstanz.
Im Theater kann man sich immer von einem Beistand begleiten lassen, wenn es um personalrechtliche Fragen geht. Das können die Sprecher sein, müssen es aber nicht. Es ist wichtig, dass man eine vertrauensvolle Beziehung hat, und es gibt gute Obleute und Personalräte, die sich (auch) für die Künstler einsetzen. Allerdings kann sich die Partei, insbesondere der klagende Künstler, auch von einem Beistand seines Vertrauens vertreten lassen, soweit dieser über Kenntnisse im Bühnenrecht verfügt. Wie bereits dargelegt, finden die §§ 114 ff. ZPO keine Anwendung, sodass der „arme Kläger“ oder der „arme Beklagte“ seine Kosten selber tragen muss.