Ende von Gesellschaft und Staat DDR
von Bruno Flierl
Erschienen in: Selbstbehauptung – Leben in drei Gesellschaften (05/2015)
ass Gesellschaft und Staat der DDR 1989 einen Kollaps erleiden würden, war für mich zu Beginn dieses Jahres noch nicht schlüssig abzusehen. Aber die Zeichen dafür mehrten sich. Ich versuchte sie zu verdrängen, da ich noch immer auf eine sozialistische Veränderbarkeit der DDR hoffte. Im Herbst 1989 aber war es dann so weit: Die DDR kollabierte.
Der Zusammenbruch der DDR, wie ich ihn unmittelbar erlebte und später mehr und mehr begreifen lernte, wurde durch tief greifende politische Veränderungen auf zwei Ebenen bewirkt, auf einer internationalen und einer nationalen Ebene, die ursächlich getrennt voneinander entstanden waren, sich aber im Verlauf des Jahres 1989 wirksam miteinander verbanden. Auf internationaler Ebene war mit der Verständigung der Großmächte USA und Sowjetunion, den Kalten Krieg zwischen Kapitalismus und Sozialismus und zugleich die durch ihn verursachte Spaltung Deutschlands zu beenden, eine völlig neue Lage entstanden. Das hätte dazu führen können, dass die beiden deutschen Staaten sich – womöglich mit Hilfe der Großmächte – gleichberechtigt um ihre Vereinigung kümmerten. Das geschah nicht, weil sie ungleich aus dem Kalten Krieg hervorgingen: Die Sowjetunion, einer der Sieger im Zweiten Weltkrieg, hatte den Kalten Krieg verloren und mit sich selbst zu tun, um zu überleben. Da konnte sie eine ökonomisch...