Das erzählende Detail
von Horst Hawemann
Erschienen in: Recherchen 108: Horst Hawemann – Leben üben – Improvisationen und Notate (03/2014)
Oft schlägt es der Schauspieler vor. Er steckt sich das Abzeichen einer Partei an die Jacke oder ein auffälliges Tuch in die Brusttasche eines schäbigen Anzugs. Er bindet sich die Krawatte auf eigene Art und sucht aufwendig nach den besonderen Hosenträgern. Er lässt sich die Ärmel kürzen und beult die Taschen aus. Lässt das Hemd aus der Hose und die Hose hängen oder zieht sie bis fast unter die Achseln hoch. Er knetet sich den Hut zurecht und leiert die Strümpfe aus. Er nimmt den Anzug mit ins Bett und schläft drei Tage auf ihm.
Er findet ein weggeworfenes Unterhemd. Er macht kleine Anschaffungen für die Figur, die ihm weniger für das Bild, sondern mehr für seine Darstellung wichtig sind, als besondere Aufmerksamkeiten – Zeichen! Er wartet nicht, bis ihm etwas gegeben wird, er nimmt sich was. Man kann sicher sein, dass er mit seinen Fundstücken handelt. Und er sucht figurenbezogen. Bedient die Eitelkeit einer Figur oder den sozialen Status, das Umfeld oder die Lebenssituation, das Genre oder die individuelle Besonderheit, die Biografie und das Typische. Er verbessert, korrigiert und konkretisiert seine augenblickliche Existenz.
Das heutige Theater (ausgenommen die Oper) arbeitet vorwiegend mit dem „zusammengebauten“ Kostüm, nicht mit der...