Bauchtänzerinnen tauchen unvermittelt auf einer Dachterrasse der Feuerwehr auf. Cheerleader wedeln plötzlich ihre Pompons vor dem Supermarkt umher. Ein Seniorinnenchor singt im verlassenen Stadion vom einfachen Frieden. Sportfechter duellieren sich im Wohngebiet. Ein Pärchen tanzt Tango auf dem Bahnsteig.
Lauter mehr oder weniger inszeniertes Leben am Wegesrand begegnet Besuchern, die der Ankündigung zufolge „ein flüchtiges Museum der Abweichungen“ an den Rändern der Stadt betreten haben. Sie befinden sich „Diesseits vom Kulissenpark“, so heißt die Produktion, die der Berliner Theatermacher Lukas Matthaei für das neue Kunstfest in Weimar im Wortsinn auf den Weg brachte. Unter dem Label matthaei & konsorten verwandelt er seit Jahren urbane Landschaften in Bühnen, auf denen dort heimische Akteure auftreten. Mit vielen Weimarern zusammen entwickelte er jetzt theatrale Rundgänge durch drei Weimarer Stadtteile: durch soziokulturelle Biotope, Industriebrachen, Plattenbauviertel, Kleingärten, Szenetreffs. Menschliche „Audioguides“ in Kostümen, aufgrund derer man sie als kommunizierende Röhren bezeichnen könnte, zeigten nicht nur, wo’s langgeht. An allen möglichen Ecken verharrten sie, um Lebensberichte vorzutragen: transkribierte Interviews, die Weimarer über ihre vielfach gebrochenen Arbeits- und Lebenswelten vor und nach 1989 gaben. Zweieinhalb Stunden lang dauerte so ein Parcours durch Zeit und Stadtraum, auf dem das Zentrum der Kultur- und Klassikerstadt Weimar gleichsam zur Peripherie wurde....