Das muss man sich erst einmal trauen: eine griechische Tragödie mit Happy End. Christian Friedel war bislang vor allem als Schauspieler bekannt, hat den Dorflehrer in Michael Hanekes Film „Das weiße Band“ oder den Hitler-Attentäter Georg Elser in Oliver Hirschbiegels „Elser“ gespielt. Am Deutschen Theater in Göttingen versuchte sich der 38-jährige Dresdner nun zum erst zweiten Mal in seiner Karriere auch als Regisseur. Er präsentierte eine mutige und moderne Fassung der „Antigone“ von Sophokles, die ganz anders ist als alles, was man von dem schon endlos bearbeiteten Allzeitklassiker der Zivilcourage kannte. Und die dem Stück trotzdem keine Gewalt antut. Chapeau.
Etwas ratlos steht das Publikum im kleinen Saal des Theaters, weiße Plastikplanen bedecken zunächst noch die Sitzplätze und ein großes Etwas, das sich später als langer Esstisch entpuppen wird. Über das rohe Mauerwerk flimmern, wie auch fürderhin immer wieder, Videobilder. Sprechende Köpfe, ein riesiges Auge, klagende Frauen, die blinde Justitia mit ihrer Waage. Dazu ertönen aus dem Off elegische Geigentöne und Fragmente dessen, was bei Sophokles der antike Chor vorträgt. Nicht in der ewigen Übertragung von Friedrich Hölderlin, sondern in einer neuen, frischeren Übersetzung von Simon Werle: „Vieles Gewaltige lebt. Aber Gewaltigeres nicht als der Mensch.“
Da öffnet sich die...