Editorial
Erschienen in: ixypsilonzett: Kulturpolitik für das Kinder- und Jugendtheater (10/2017)
Das Cover dieser Ausgabe ist ein Statement: So kann Kulturpolitik für das Kinder- und Jugendtheater aussehen! Ein Statement ist auch die Aussage des neuen Geschäftsführenden Direktors des Deutschen Bühnenvereins Marc Grandmontagne im Gespräch mit dem ASSITEJ-Vorsitzenden Wolfgang Schneider: „Entscheidend ist doch die Erkenntnis, dass wir in einer Zeit leben, in der über lange Jahre eingeübte Antagonismen fragwürdig geworden sind: frei vs. institutionalisiert, Hoch- vs. Breitenkultur, Bühnenverein vs. Gewerkschaften etc.“ Die Zeiten, in denen das Kinder- und Jugendtheater um seinen Platz in der bundesdeutschen Theaterlandschaft ringen musste, scheinen der Vergangenheit anzugehören. Und auch der Deutsche Bühnenverein lässt seine traditionelle Rolle als Arbeitgeberverband hinter sich und streitet gemeinsam mit den Akteur_innen für eine bessere Bezahlung an den Theatern – auch an den Kinder- und Jugendtheatern. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, die es aufmerksam zu beobachten gilt. Ein Klassiker der Debatte um das Kinder- und Jugendtheater ist die Frage nach der Eigenständigkeit der Sparte. Die Ankündigung neuer Theaterleitungen, künftig das Kinder- und Jugendtheater in den Gesamtbetrieb zu integrieren, schürte in der Vergangenheit Verlustängste. Am Staatstheater Braunschweig wird mit der neuen Generalintendantin Dagmar Schlingmann auch der traditionsreiche „theaterspielplatz“ (schon vom Vorgänger in Junges Staats theater umbenannt) integriertes Modell. Doch statt im Gesamtbetrieb aufzugehen soll der Gesamtbetrieb dem Kinder- und Jugendtheater zuarbeiten und es so mehrspartig aufstellen. Über Chancen und Risiken eines solchen Konzeptes spricht Jutta M. Staerk mit der Generalintendantin. Wer derzeit über Kulturpolitik im Kinder- und Jugendtheater spricht, kann aktuelle politische Entwicklungen, kann das Erstarken der Rechtspopulisten in Europa nicht ignorieren. Sarah Kramer hat beim Festival Westwind in Moers und in Berlin verschiedene Varianten des Engagements gegen rechtspopulistische Positionen beobachtet.
Position beziehen auch die europäischen und afrikanischen Künstler_innen der Koproduktionsplattform des Goethe-Instituts im Rahmen des 19. Weltkongresses der ASSITEJ, die die südafrikanische Journalistin Carla Lever für IXYPSILONZETT beobachtet hat. Persönliche Begegnungen und Wissen über Geschichte und Gegenwart sind Voraussetzung für die Zusammenarbeit. Vom enthusiastischen Aufbruch des Kinder- und Jugendtheaters in einem Land, das hierzulande eher mit islamistischen Terroranschlägen in Verbindung gebracht wird, berichtet Reihaneh Youzbashi Dizaji. Sie hat das erste Kinder- und Jugendtheaterfestival im pakistanischen Lahore besucht. Was macht eine Dramaturgin für digitale Medien und was für Theater entsteht an den Schnittstellen zwischen Theater und Digitalem? Dieser Frage ist Steffen Georgi auf dem Platform shift+Festival am Theater Junge Generation in Dresden nachgegangen. „Feinster Minimalismus in Ausstattung, Text und Spiel beginnt sich zu großem Ausdruck, zu einem Theater für Menschen allen Alters zu verdichten“, schreibt Andrea Gronemeyer in ihrem Porträt der Schweizer Figurenspielerin Margrit Gysin, die in diesem Jahr den Schweizer Theaterpreis für ihr Lebenswerk erhielt und zeichnet über 40 Jahre Bühnenleben nach, das vor allem dem Kinderpublikum gewidmet ist.
Das Kinder- und Jugendtheater bleibt in Bewegung, künstlerisch, (kultur-)politisch, beim Schmieden neuer Allianzen, dem Entdecken neuer Kooperationen. Davon ist auch in dieser Ausgabe zu lesen.
Eckhard Mittelstädt