Ein grober gelber Keil durchschneidet brachial das realistisch gestaltete Bühnenbild, zersägt es in zwei Teile, Beton splittert, Funken sprühen, Menschen schreien – ein Anschlag auf die Kunst in den Bad Godesberger Kammerspielen? Wer steckt dahinter? Der IS? Eine Nachfolgeorganisation des NSU? Beides denkbar, aber nein, der grobe gelbe Keil, der sich hier Platz und Aufmerksamkeit verschafft, ist – ein Reclam-Heft. Aus Holz. Aufklärung. Lessing. Nathan der Weise. 1779. Eine Bühne auf der Bühne, darauf stehen Schauspieler in historischen Kostümen und sagen im Chor die Ringparabel auf. Diejenigen, die zuvor das realistische Bühnenbild von Cary Gayler bespielt haben – ein Klassenzimmer –, sind junge Bonner Muslime, sie erzählen in den Rollen von Schülern über sich selbst, über ihre vielfältigen Erfahrungen mit dem großen deutschen Aufklärungsprojekt Integration. Sie (auch sie) sprechen im Chor, und sie sprechen laut. Gern streiten sie mit ihrem Lehrer, einem typischen Vertreter des liberalen aufgeklärten Mittelstands, der, wird er in die Enge getrieben, einige nicht totzukriegende Ressentiments vom Stapel lässt.
So legt der Regisseur Volker Lösch seine Lessing-Interpretation an. Der aktuelle Diskurs stört und unterbricht nicht etwa die Darbietung des klassischen Textes, eher schon stört und unterbricht der klassische Text den aktuellen Diskurs. Aber darauf kommt es vielleicht...