Magazin
Die Seele im Wald
Der Hörspielpreis der Kriegsblinden geht an Susann Maria Hempel
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Abgründe des Alltäglichen – Das Staatstheater Braunschweig (06/2019)
Ein junger Mann glaubt, im Gefängnis, in das er wegen angeblicher Absichten für eine Flucht aus der DDR gesteckt wurde, seine Seele verloren zu haben. Ganz nach der Lehre des Lukrez wird diese als verflüchtigte Atome vorgestellt, die möglicherweise im Wald wiederzufinden sind, einem Ort der Geborgenheit für diesen Geschlagenen.
Diese Geschichte stammt von einem engen Freund der Autorin, der, als er im Sterben liegt, beginnt, ihr von diesen Gedanken und Erfahrungen zu erzählen. Susann Maria Hempel, geboren 1983 im thüringischen Greiz, hat daraus ein so beeindruckendes wie beklemmendes Monolog-Hörspiel gemacht: „Auf der Suche nach den verlorenen Seelenatomen“, für das sie am 7. Mai in Köln den Hörspielpreis der Kriegsblinden 2019 erhielt.
Hempel, die auch schon mit experimentellen Kurzfilmen hervorgetreten ist, hat bei ihrem Hörspieldebüt (Produktion rbb Kultur mit Unterstützung der Akademie der Künste) praktisch alles selbst gemacht. Die intime Erzählung wird von ihr selbst gesprochen in dem ihrer Heimat eigentümlichen ostthüringischen Dialekt. Hinzu kommt ihre für ein synthesizerartiges Subharchord komponierte Musik voll weicher Disharmonien. Das für die Hörspielkunst überraschende Moment liegt darin, wie Hempel mit geschickten Modi des Dialogischen mehrere Figuren zum Sprechen bringt. Inhaltlich verschafft sich mit dieser Darstellung einer unbewältigten Unrechtserfahrung eines Häftlings ein Stück vergessene DDR-Vergangenheit...