Theater der Zeit

Essay

Die Baumeister sind wir

Über die Diskussionen um einen Theaterneubau in Frankfurt am Main und die Idee eines Bürgerkonvents – Ein Essay

von Claus Leggewie

Erschienen in: Theater der Zeit: Wir sind die Baumeister – Ein Schwerpunkt über Theater und Architektur (11/2020)

Assoziationen: Dossier: Neubau & Sanierung Schauspiel Frankfurt

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Anfang September, die Frankfurter Theaterferien sind offi­ziell zu Ende, noch bleibt die Glasfassade des Doppelhauses von Oper und Schauspiel am Abend dunkel. Ein Banner beschwört Vielfalt am Main: „47 Nationen unter einem Dach. Für eine weltoffene Gesellschaft ohne Rassismus.“ Drinnen wird eifrig geprobt, die Spielzeit beginnt mit einem todsicheren Shakespeare, „Wie es euch gefällt“ (Regie David Bösch), mit Sarah Kanes „Gier“ im Bocken­heimer Depot, einer Heinrich-Heine-Skizze, „Deutschland 2020“, in der Box und mit der Fortsetzung der „Stimmen einer Stadt“, bei der einheimische Autoren Frankfurter Lebens­geschichten auf die Bühne bringen (siehe Stückabdruck S. 60).

Nicht nur wegen der Corona-Pandemie fragen sich Theaterschaffende und Publikum, wie es weitergehen soll. Denn die ­Bausubstanz beider Häuser ist marode. Energetisch sind sie im Winter Emissionsschleudern und im Sommer Hitzespeicher, die Technik ist veraltet. Seit Monaten werden Neu- oder Umbaupläne kontrovers diskutiert, vor allem der Standort der Häuser: Renoviert am alten Ort oder Neubauten schräg gegenüber im Herzen der Stadt oder draußen am Osthafen? Zehn Jahre Bauzeit und eine Milliarde Baukosten müssen einkalkuliert werden, doch die Pandemie kann Zeitpläne und Finanzierung durcheinanderwerfen. Im Frühjahr 2021 stehen nach Kommunalwahlen neue politische Konstellationen an, nachdem sich Rot-Schwarz-Grün über den Standort nicht einig wurde. Die Intendanten fahren erst einmal auf Sicht, in der bangen Hoffnung, dass das Publikum treu bleibt und der alltägliche Betrieb durchhält. Und dass man junge Menschen ins Theater locken kann.

Theater der Zukunft

Rund 6000 Personen aus der ganzen Republik haben eine Peti­tion des Architekten Philip Oswalt für die Erhaltung der Bühnen am alten Platz unterzeichnet (siehe auch TdZ 04/2020). Mit dem Abriss der 1958 eröffneten Spielstätten sehen sie die Erinnerung an jahrzehntelange Theaterarbeit gelöscht. Wichtiger: Sie mahnen eine Debatte darüber an, welche Art von Theater eine rasant gewachsene und sich ebenso rasch wandelnde Stadtgesellschaft benötigen wird. Statt grundsätzlich zu werden, fragt man am besten erst einmal deren Repräsentanten, zum Beispiel eine Familie aus dem Vorort Hattersheim: Jeannette K., Planerin in einem großen Frankfurter Wirtschaftsbetrieb, wünscht sich weiterhin „große“ Theaterabende, das gehört für sie einfach zur Urbanität. Sie mag kein Repräsentationsgewese, lieber Autorenlesungen, politische Debatten und Stücke zum Zeitgeschehen. Ihr Mann goutiert auch die Pausenkanapees und ist gern eine halbe Stunde früher da, um die summende Atmosphäre aufzusaugen, bevor der Vorhang hoch­geht. Ihre aufgeweckte Tochter (15) können sie nur schwer dahin bewegen. Theater, das ist für sie: gestelzte Texte, undurchschau­bare Regieeinfälle, viele alte Leute. In der Tat liegt das Durchschnittsalter der Abonnenten bei sechzig, der Zuschauerschnitt bei fünfzig Jahren. Dabei bemühen sich die Bühnen intensiv um die Jüngeren, doch ausgerechnet das Projekt „All Our Futures“, das zuletzt 220 Kinder und Jugendliche aus allen Schulen und Stadtteilen ins Theater gelockt hat, ist dem Lockdown zum Opfer gefallen. Und die ganz Kleinen, die Weihnachtsstücke in die Bühnenwelt hineingezogen haben, könnten dieses Jahr leer ausgehen.

Gretchenfrage: Braucht man überhaupt noch (ein) „großes“ Theater? Frankfurt hat zwei Dutzend kleinere und mittlere Bühnen: den zuverlässig avantgardistischen Mousonturm und das English Theatre, volkstümliche wie das Fritz Rémond Theater, die Komödie und die Volksbühne. Rund fünfzig freie Theatertruppen nutzen Off-Spielstätten wie die Landungsbrücken am Westhafen, das Gallustheater und die Naxoshallen, in denen der aus der ­Jugendbildung kommende Willy Praml derzeit „Antigone“ gibt.

Gespielt wird in Bürgerhäusern, in der Brotfabrik Hausen, im ­Fechenheimer Industriegebiet, im Palmengarten und natürlich in der Alten Oper, dem letzten Renovierungsprojekt vor über dreißig Jahren. „Was, wenn man in zehn Jahren den letzten Schrei eingebaut hat – plötzlich aber feststellt, dass man eigentlich ein weniger perfektes Theater bräuchte?“, stichelt eine Bühnentechnikerin. Schauspielintendant Anselm Weber schüttelt den Kopf. Er sieht sich zuvörderst als Verteidiger der 1200 Beschäftigten, die das Theater als Arbeits- und Lebensraum Tag für Tag bevölkern und dort Handwerke ausüben, die der Gesellschaft längst abhan­dengekommen sind: Hutmacher und Rüstmeister zum Beispiel.

Weber wünscht sich das Theater der Zukunft kooperativ, politisch, offen für neue Zielgruppen. Als Beispiel der vergangenen Saison nennt er „Chinchilla Arschloch, waswas“, das Tourette-Stück von Helgard Haug (Rimini Protokoll) über Kontrollverlust, eine Koproduk­tion mit dem Mousonturm. Für die laufende ­Saison hebt Weber „10 odd emotions“ der israelischen Choreografin Saar Magal hervor, eine Koproduktion mit der Dresden Frankfurt Dance Company. Auch Kooperationen mit der freien Szene soll es geben. Das hört man gerne bei ID_Frankfurt, der „Assoziation freischaffender Künstler*innen, Theoretiker*innen und Vermit­t­ler*innen“, die einen Mangel an Probe- und Aufführungsräumen für Tanz und Performance sieht. „Räume und Infrastrukturen der städtischen Bühnen nutzen zu können und gemeinsam teamorien­tierte Leitungsstrukturen zu entwickeln“, darin sähen Dramaturgin ­Mareike Uhl und Choreografin Hannah Dewor eine gute Gelegenheit, wie sich freie Szene und große Häuser annähern und vonein­ander lernen könnten – über bereits erfolgte Versuche wie an den Münchner Kammerspielen unter Matthias Lilienthal oder bestehende Programme wie den Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes hinaus. Das könnte im Theateralltag mächtig knirschen. Letztlich strebt die freie Szene ein eigenes Haus an, wie der Performer Jacob Bussmann unterstreicht, ein „transparent geleitetes Produktions- und Aufführungszentrum für die ­lokalen Künstler*innen, in dem dezentrale und variable Formate des Thea­ters der Zukunft fest angesiedelt sein sollen“.

Judith von Sternburg, erfahrene Opern- und Theaterkritikerin der Frankfurter Rundschau, warnt vor small is beautiful: Wenn das Raffinement ausgefeilter Bühnentechnik wegfiele, würden die meisten Zuschauer sehr bald etwas vermissen. Doch man müsste mehr Stücke wagen, die junge Menschen durch genau die kräftige Körperlichkeit, Lakonie und tänzerische Selbstinszenierung zu packen verstehen, die sie von Youtube und Tiktok kennen. Den größten Mangel sieht sie in der Abwesenheit fast aller der an der Fassade plakatierten Nationen im Inneren der Häuser: Die dezidiert multikulturelle Stadt (zwei Drittel der Jugendlichen kommen aus Migrantenfamilien) erscheint auf der Bühne wie auf den Rängen eher monokulturell. Tamara Marszalkowski, Theater­rezensentin des Journals Frankfurt, das sich an hippe und junge Kundschaft wendet, sieht in Eric de Vroedts „The Nation“ im Erzählstil von Netflix einen (noch nicht ganz gelungenen) Versuch, sich an Serienformate und Sichtweisen Jüngerer heranzutasten, die über Computerspiele und soziale Medien sozialisiert worden sind und denen Frankfurt als Theaterstadt wenig sagt. Auch Intendant Weber definiert Angebote an jüngere Zuschauer nicht als freiwillige add-ons, sondern will sie dauerhaft etablieren. „Das Theater muss eine Tangente für alle Themen und Milieus der Stadtgesellschaft werden.“

Der Patronatsverein der Bühnen mit 1200 Mitgliedern treibt in der südhessischen haute volée spendable Förderer auf. Geschäftsführer Andreas Hübner, von Beruf Asset-Manager, wünscht sich auch keine Theatertrutzburg, aber ein Haus, möglichst in ­einer neuen Kulturmeile der Innenstadt, das den Zeitgeist mit avancierter Technik zu erstklassiger Kunst verbindet. Frankfurt ist für den beruflich Weitgereisten die „perfekte internationale Stadt“, die „Hochkultur auf kleinstmöglichem Raum“ kann, ohne ihre ­lokalen Wurzeln zu verleugnen, also: 1848 und die 68er, Äbbelwoi und Zentralbank, das jüdische Erbe und die US-amerikanische Prägung nach dem Krieg. Nostalgie indes ist fehl am Platze, wenn gerade eine halbe Milliarde Gewerbesteuern wegbrechen und mit der Messe, den Banken und dem Flughafen gleich drei Pfeiler der südhessischen Dienstleistungswirtschaft angeknackst sind. Eine Zuspitzung sozialer Konflikte könnte die Folge sein. Form und Inhalt Schauspieler und Techniker, Stückeschreiber und Dramaturgen bildet vor Ort die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst aus, an der Hans-Ulrich Becker den Studiengang Regie leitet. Ihm bietet der Nachwuchs kein einheitliches Bild, manche liefern unter dem Label „postdramatisch“ eher Vorgestanztes und Erwart­bares ab und stellen politisch Korrektes gegen jegliche Mimesis, die für Becker das Alleinstellungsmerkmal des Theatermediums ausmacht. Aber mit dem alten Repertoiretheater kann man auch nicht fortfahren. Becker schweben mehr stagione, ein „ärmeres Theater“ vor, auch an „Un-Plätzen“ bis in die Peripherie. Björn Auftrag, Regisseur, Sounddesigner und Choreograf, der gemeinsam mit Stefanie Lorey auch am Schauspiel Frankfurt inszeniert hat, macht sich für Projekte am Übergang von Theater, Performance und Installation stark. Den konventionellen Spielplan erweitert er um eine forschende Perspektive, um mit dem Publikum herauszufinden, was Theater ist und vor ­allem: was nur das Theater kann. Weniger Repertoire und mehr Experimente, die auch scheitern dürfen. Dazu müsste der ­geschlossene Raum durchlässig, der Probenprozess und die ­Gewerke, die im Theater (und für dieses) zusammenkommen, zugänglich und nicht nur an „Tagen der offenen Tür“ sichtbar werden. Auftrag ist Absolvent der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen, die von Heiner Goebbels geprägt wurde. Dem Frankfurter Komponisten war Oswalts Bürger-Petition zu rückwärtsgewandt: „Ich habe nichts dagegen, wenn Theater und Oper als Museum ihrer institutionalisierten und eurozentrierten Kulturgeschichte (und das ist schon ein Euphemismus bei der Ausschließlichkeit der deutschen Sprache im Theater) erhalten blieben, wenn daneben auch Alternativen, zeitgenössische und zukünftige Produktionsweisen eine realistische Chance haben – und zwar in derselben Budgetliga, in der man derzeit die ‚Zauberflöte‘ oder den ‚Faust‘ inszeniert.“ Dem Publikum müsse man – auch nach Corona – nicht Vertrautheit, Wiedererkennung und ein heimeliges Gemeinschaftsgefühl versprechen, sondern vielmehr das Fremde und die ganze Intensität künstlerischer Erfahrung. „Berührt und erschüttert wird man nicht im Genuss des Gewohnten, sondern in der individuellen Konfrontation von etwas, mit dem man nicht gerechnet hat.“ René Pollesch, ebenfalls ein Absolvent der Gießener Schule, hat in seinem gerade am Deutschen Theater in Berlin inszenierten Stück „Melissa kriegt alles“ dem Schauspieler Martin Wuttke ein Stichwort in den Mund gelegt: Man müsste den Bauplan des Theaters mal von oben einsehen können!

Zum Verhältnis von Form und Inhalt machte Simon Strauß, Theaterkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, jüngst eine steile Alternative zur Zukunft des Theaters auf: Geht es zuvörderst um Wokeness oder um Wohnraum? Aktivisten probieren auf der Bühne soziale und politische Verfahrensweisen aus und wollen aktiv daran mitwirken, „die Welt zu einem besseren Ort zu machen“ (Florian Malzacher). Dagegen hält Jakob Hayner: „Eine Verschmelzung von Ästhetischem und Ethischem wird weder dem einen noch dem anderen gerecht. Ethik fordert unmittelbares Handeln, wovon Kunst konstitutiv getrennt ist. Eine Einheit aus beiden führt zu ihrer gegenseitigen Neutralisierung und einer Ersatzhandlung im schlechtesten Sinne. Statt zu einer Ausweitung ethischen Verhaltens kommt es zu einer Überführung in das ­Reservat der Kunst, wo es in der Trennung von Welt unberührt genossen werden kann.“ Wobei umstritten ist, was im Theater ­Repräsentation überhaupt noch heißen soll: Bedeutet es, die Stimmen aller gleichberechtigt zu Gehör und Gesicht zu bringen, oder jenseits solcher Differenzerfahrungen ein universales Interesse zu entwickeln?

Die Bandbreite der Erwartungen zwischen kleinteiliger Identitätspolitik und humanitärem Universalismus an das Theater von morgen ist erwartungsgemäß riesig. Viele Gesprächs­partner wollen schlicht das Gewohnte zurück: beste Sänger und Schauspieler, Dirigenten, Regisseure, keine Monologe auf leeren Bühnen oder Opern mit kleinem Orchester. Wenige Normalverbraucher trauen sich, Ansprüche an die Theatergewaltigen heranzutragen, wie Christian Holl, Landessekretär des Bundes Deutscher Architekten in Frankfurt: „Von einem Theater und von einer Oper im 21. Jahrhundert wünsche ich mir, dass es mich überrascht, herausfordert und anregt. Ich wünsche mir, dass es die Konflikte, die sich im Stoff verbergen, befragt und in einer Form sichtbar macht, die sie nicht erklärt. Ich wünsche mir ein Theater, das von der Lust am Raum und an der Sprache getragen ist. Ein Theater, dem ich glauben darf, dass es sich um die Zuhörerschaft bemüht, die ihm auch in 30 Jahren noch treu sein kann. Und schließlich wünsche ich mir von einem Theater der Gegenwart, dass es sich selbst die Chance gibt, etwas von der Welt, zu der es sich verhält, zu lernen, indem es den Austausch mit ihr abseits der Wege und Orte sucht, wo ihm der routinierte Zugang zum vermeintlich Bekannten schwer gemacht wird.“

Mobile Spielräume

Dagegen spricht nicht, dass man dergleichen schon 1978 lesen konnte: „Ein Theater, in dem man sich nicht aufregen kann, ist ein totes Theater. Ein Theater, das seine Zuschauer aufregt, schafft Kommunikation, ist lebendiges Theater. Da unterhalten sich die Leute.“ Der Satz stammt von Karlheinz Braun, in den 1960er Jahren Leiter der Theaterabteilung des Suhrkamp Verlags, Mitgründer des Verlags der Autoren und des experimenta-Festivals 1–5 (legendär eröffnet mit Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“), Inspirator des ruhmreichen Frankfurter Theaters am Turm (TAT) und kurze Zeit auch „Drittel-Intendant“ des seinerzeit mitbestimmten Schauspiels. In einem Band mit dem programmatischen Titel „Mobiler Spielraum“ verfasste er schon 1970 eine gesalzene Kritik damaliger Neubauten (wie des Düsseldorfer Schauspiels): „Wer sie betritt, muss die Wirklichkeit draußen lassen, tritt ein in einen abgezirkelten Bereich, der Heil verspricht, Geborgenheit. Was versprochen wird, ist kostbar. Dieses ganz und gar monofunktionale Gebäude könnte, wäre es nicht schon Stadttheater, nur noch zur Kirche dienen.“

Kirchen wie Theater haben ihre Stellung längst eingebüßt, doch Brauns Idee mobiler multimedialer Räume sollte man im Kopf behalten und aktualisieren. Im Mousonturm hat Intendant Matthias Pees die Black Box ge­rade coronagerecht in einen runden Lehmbau verwandelt, aus dessen Fenstern 38 Zuschauer paarweise auf die Spielfläche schauen – ein Globe Theatre in ­Zeiten der Pandemie. Oder man geht mit Rimini Protokoll an die frische Luft, wie 2016, als fünfzig mit Kopfhörern ausgestattete Menschen in „Remote X“ durch die Stadtlandschaft gelenkt wurden.

Da niemand ganz genau wissen kann, wie mobile Spiel­räume morgen aussehen, schlägt Braun noch für dieses Jahr die Einrichtung eines Konvents von Theaterschaffenden, Baumeistern und Stadtplanern vor, die im Dialog mit einem Querschnitt Theaterinteressierter (und Theaterabstinenzler) intensiv über die beste Form für das Theater der Zukunft nachdenken. Katharina Liesenberg, die an der TU Darmstadt Demokratietheorie lehrt und in Frankfurt die Initiative „mehr als wählen“ und einen Bürgerrat ins Leben gerufen hat, schlägt zur Rekrutierung eine aufsuchende Methode über lokale Medien, die Kanäle der Bühnen selbst und via soziale Medien vor. Mit analogen Vorhaben wie Julia Wisserts „Programmbeirat für Bürger:innen“ am Schauspiel Dortmund muss man jedenfalls sorgfältig umgehen, damit sie keine Rohrkrepierer werden und die Beteiligungsidee verbrennen. Die Frage „Welches Theater wünschen Sie sich?“ dürfte bei kundiger Moderation, Ausdauer und Rückbindung der Ergebnisse an die Entscheider aber ernsthafter und gründlicher durchdacht werden als bei der Volksabstimmung, die Micha Brumlik, der ehemalige ­Direktor des Fritz-Bauer-Instituts, angeregt hat, bei der womöglich ein in linken wie rechten Kreisen grassierender Affekt gegen die Kultureliten obsiegen könnte.

Vorhang auf und alle Fragen offen

An welchem Standort auch immer: Wünschenswert ist ein doppelt nachhaltiger Theaterkomplex, der zum einen Klima und Umwelt schont und zum anderen in eine soziale Welt passt, die wohl eine ganz andere und vermutlich härtere sein wird. Ein Ort, an den auch „Theaterferne“ gerne gehen, fast rund um die Uhr, mit Buchladen und Mediathek, Clubs und Kaffeehaus, coworking spaces und offenen Werkstätten. Solchen Ansprüchen einer erweiterten Öffentlichkeit muss – nach der altbewährten Architektenweisheit form follows function – die Gestalt der neuen Theater gehorchen. Der demokratische Effekt wäre, das Theater durch eine öffentliche Debatte über seine möglichen Ziele ins Zentrum der Stadtöffentlichkeit zurückzuholen und dabei Spielformen zu probieren, die 2030 und danach up to date sein mögen. Vermutlich werden sie kleinräumiger und experimenteller sein, in die Peripherie ausgreifen und jede Menge Improvisation erfordern. Und hoffentlich so offen sein, wie es die Glasfassade mit der Wolken-Deckenskulptur schon 1958 versprochen hat. //

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