Anfang September, die Frankfurter Theaterferien sind offiziell zu Ende, noch bleibt die Glasfassade des Doppelhauses von Oper und Schauspiel am Abend dunkel. Ein Banner beschwört Vielfalt am Main: „47 Nationen unter einem Dach. Für eine weltoffene Gesellschaft ohne Rassismus.“ Drinnen wird eifrig geprobt, die Spielzeit beginnt mit einem todsicheren Shakespeare, „Wie es euch gefällt“ (Regie David Bösch), mit Sarah Kanes „Gier“ im Bockenheimer Depot, einer Heinrich-Heine-Skizze, „Deutschland 2020“, in der Box und mit der Fortsetzung der „Stimmen einer Stadt“, bei der einheimische Autoren Frankfurter Lebensgeschichten auf die Bühne bringen (siehe Stückabdruck S. 60).
Nicht nur wegen der Corona-Pandemie fragen sich Theaterschaffende und Publikum, wie es weitergehen soll. Denn die Bausubstanz beider Häuser ist marode. Energetisch sind sie im Winter Emissionsschleudern und im Sommer Hitzespeicher, die Technik ist veraltet. Seit Monaten werden Neu- oder Umbaupläne kontrovers diskutiert, vor allem der Standort der Häuser: Renoviert am alten Ort oder Neubauten schräg gegenüber im Herzen der Stadt oder draußen am Osthafen? Zehn Jahre Bauzeit und eine Milliarde Baukosten müssen einkalkuliert werden, doch die Pandemie kann Zeitpläne und Finanzierung durcheinanderwerfen. Im Frühjahr 2021 stehen nach Kommunalwahlen neue politische Konstellationen an, nachdem sich Rot-Schwarz-Grün über den Standort nicht einig wurde. Die Intendanten fahren erst einmal...