Die einseitige Konzentration der Europäischen Union auf Wirtschafts-, Verteidigungs- und Finanzsorgen nahm Ruth Heynen, seit Dezember 2009 Generaldelegierte der Union der Theater in Europa, zum Anlass für makrokulturelle Überlegungen zum Begriff der „europäischen Identität“. Pünktlich zum Vorabend der neuen EU-Kultur-Förderperiode („Creative Europe“) legt sie jetzt einen historisch- systematischen Beitrag zur Verfassung eines Theaters für Europa vor. Die Lage mythologisch, historisch und geografisch sondierend, spannt sie den Bogen mit Derrida gegen Partikularinteressen zugunsten einer „A-Capitale“ kultureller Vielfalt auf, seziert demokratietheoretisch mit Habermas beispielhaft und transparent das angetretene Erbe, dabei auf den handelsüblichen affirmativen Rahmen verzichtend.
Stattdessen gibt sie vier Orientierungsstränge an die Hand, die das Fragmentarische des europäischen Einigungsprozesses in der Formgebung ihres Arguments explizit machen: die Erfahrung des Unmöglichen! – Die These hebt auf das Fehlen „positiv aufgeladener Symbole“ ab, was der Europäische Rat seit 1984 beheben sollte. Ein Lächeln stockt, liest man vom Ringen Giorgio Strehlers und Jack Langs um die Anerkennung von Theaterkunst – es gleicht dem Tauziehen Heiner Müllers (Gründungsmitglied der 1990 gegründeten Theaterunion) mit SED-Funktionären. Heynen legt die Sonntagsreden der Politiker neben die Absichtserklärungen der Europatheater, um die Essenz des kulturellen Mehrwertes im Rückgriff auf Homi K. Bhabha, Bernhard Waldenfels und Michel de Certeau freizulegen: In...