Der Soziologe Richard Sennett hat in seinem Werk „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität“ darauf aufmerksam gemacht, dass die Schaffung einer öffentlichen Geografie sehr viel mit der Vorstellungskraft oder der Fantasie als sozialem Phänomen zu tun hat. Die Ausbildung eines Bewusstseins vom öffentlichen Raum – und des Handelns in ihm – verläuft für Sennett analog zur Fähigkeit der Symbolbildung. Die gesellschaftlichen Vorstellungskräfte stehen also in einem direkten Verhältnis zur öffentlichen Geografie. Beide sieht Sennett im Niedergang, bedroht durch die Ideologie der Intimität, die Vorstellung, dass Gemeinschaft und Gesellschaft sich nicht über Symbolbildung herstellen, sondern das Produkt gegenseitiger Selbstentblößung seien. Nicht die Erweiterung des Selbst durch dessen Überschreitung, durch Ekstase, das Außer-sich-Sein, sondern Rückzug ins vermeintlich Authentische folgten daraus. Das Selbst ist nicht mehr Mittel, sich mit der Welt in Beziehung zu setzen, sondern Zweck – ein Zweck freilich, der zur Verarmung dessen führt, was er voraussetzt. Übrig bleiben erfahrungsunfähige isolierte Individuen, die sich in einer narzisstischen Schleife verlieren, denn je mehr sie gezwungen sind, das eigene Selbst zur Grundlage all ihren Glücks zu machen, desto mehr blockieren sie die Erfüllung ihrer Wünsche. Dieser „Selbstgenuss bei Ich-Verlust“ (Franz Schuh) ist zur Voraussetzung von Individualisierung heute geworden, die...