Abschied
Die Lust der Rebellion
Zum Tod Juri Ljubimows
Erschienen in: Theater der Zeit: Jammer und Glorie – Der Regisseur Krzysztof Warlikowski (12/2014)
Assoziationen: Akteure
Es war um das Jahr 1974, als mich das Berliner Ensemble – Juri Ljubimow sollte dort inszenieren – damit beauftragte, den Moskauer Regisseur durch die Berliner Theaterszene zu begleiten, was ausgesprochen unterhaltend war, vor allem durch den Schrecken, den er den einheimischen Theaterleuten einjagte. Bei einer Zusammenkunft im Maxim Gorki Theater erklärte er den Kollegen, wie er mit den Moskauer Zensurinstanzen zu verhandeln pflegte, wie er ihnen die Genehmigung für ein Stück abhandelte, indem er ein anderes, brisanteres Projekt preisgab. Konfrontation, Kuhhandel und keine Spur von Verinnerlichung vorgegebener Machtverhältnisse – bestürzt, geradezu erschrocken hörten die Sowjetgläubigen ihm zu. Ljubimows Humor machte vor ihm selbst nicht halt, er erzählte, wie er in den Aufführungen des Taganka-Theaters zumeist in einer rückwärtigen Proszeniumsloge sitze, wo er den Darstellern mit einer folienbewehrten Taschenlampe signalisiere, wie die Aufführung laufe. Bei grünem Licht sei alles in Ordnung, Gelb bedeutete: Passt auf!, und wenn er Rot einlegte, wüssten die Schauspieler, es gibt eine Nachtprobe. Sie nennten ihn manchmal Jossif Wissarionowitsch.
Aus Ljubimows Berliner Inszenierung wurde nichts, aber 1978 konnte ich mir einen unmittelbaren Eindruck von seinem Theater verschaffen; ich sah sechs Aufführungen und beschrieb sie 1979 in dem Buch „Theaterbilder“. Ich sah die Gründungsinszenierung des Taganka-Theaters, den...