Magazin
zwischen den sintfluten
nachruf auf gerd rienäcker
Erschienen in: Theater der Zeit: Kunst gegen Kohle – Ruhrfestspiele Recklinghausen. Intendant Frank Hoffmann (05/2018)
von der sowjetunion lernen, heißt siegen lernen.
von den amerikanern lernen, heißt auch siegen lernen.
von gerd rienäcker lernen, hieß die wahrheit erkennen.
das brachte ihm die häme, den neid und den hass von vorher und nachher, von ost und west ein.
ich lernte gerd rienäcker 1983 während eines seminars in der humboldt-universität zu berlin kennen, das er und ich für studenten der musikwissenschaft hielten. gegenstand war georg friedrich händels oper „floridante“, die ich damals für eine inszenierung am goethe-theater bad lauchstädt vorbereitete. rienäckers wichtigstes anliegen war es, zum ausdruck zu bringen, dass in einer oper nicht allein der text die geschichte definiert, also was auf der bühne vorgeht, sondern auch die musik, ja über weite strecken die musik in erster linie, und dass sie nicht nur eine zusätzliche äußerliche, mehr oder weniger kulinarische rolle spielt.
gerd rienäcker war mitglied der sozialistischen einheitspartei deutschlands, um an der verwirklichung einer politischen, gesellschaftlichen und menschlichen alternative mitzuwirken. als diese stück für stück von den verantwortlichen im osten verspielt wurde, hielt gerd rienäcker nicht den mund. das kostete ihn ständige angriffe aus den reihen der partei bis hin zu einem parteiverfahren, das ihm verbot, weiter vor jungen menschen, die hinter dem aufbau des...