Wer hinauswill in die Welt, muss als Erstes und vor allem mal vor die Haustüre treten. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die freie deutsche Theaterszene und ihre Zuschauer nicht nur international profiliert und vernetzt, sondern durch zugespitzte künstlerische Auseinandersetzungen mit ökonomischer Realität und sozialen Umfeldern, Stadt- und Lebensraum auch neue Theater- und Interventionsformate entwickelt.
Eine Schlüsselrolle bei diesen Entwicklungen fällt dem Berliner HAU zu, denn das Hybrid theater in Berlin-Kreuzberg mit dem schlagkräftigen Namen widmet sich nicht den literarischen Theatertraditionen und gutbürgerlichen Bildungsaufträgen. Das 2003 aus drei benachbarten Häusern hervorgegangene HAU - dem vormaligen Hebbel-Theater, dem Theater am Halleschen Ufer und dem Theater am Ufer - hat unter der künstlerischen Leitung von Matthias Lilienthal die Räume mit einem Theater der Themen derart überfüllt, dass selbst die umliegenden Straßen und Bezirke noch in den Kunstraum einbezogen und bespielt wurden. Stadt und Welt, Wirklichkeit und Fake, Diskurs und Entgrenzung, Beat und Bildung fanden auf ganz undidaktische, ereignishafte Weise im HAU zu einer Verortung, wie es sie vorher nicht gab in der deutschen Theaterlandschaft.
Nach neun Jahren im Produktionsrausch verlassen im Sommer 2012 Lilienthal und sein Team das HAU: Anlass für ein Arbeitsbuch, das sich den Phänomenen und Konzepten, den Themen und Formaten des HAU wie auch anderer zeitgenössischer Produktionshäuser widmet.