Souveränität
Die Fotografie auf der zweiten Seite dieser Ausgabe zeigt Menschen auf einer Aussichtsplattform in Los Angeles. Diese sind akkurat angeordnet innerhalb eines Steinrings, und wie alle Fotografien von Michael Schüler spielen sie mit der Möglichkeit des Inszenierten. Es bleibt immer ein Rest von Irritation darüber, ob der abgebildete Moment genau so stattgefunden hat oder ob die Menschen nicht doch in bestimmte Positionen gestellt wurden, ob ein Eingriff stattgefunden hat. Selbst Aufnahmen in freier Natur haben den Charakter von gut ausgeleuchteten Bühnen, auf denen die Menschen kalt ausgestellt wirken. Michael Schülers Fotografie erzählt davon, dass etwas nicht stimmt. Entlang der Grenze zwischen Realität und Fake bewegt sich auch die Kolumne des Philosophen Carl Hegemann. Er bezieht sich auf eine Publikation von Judith Mair und Silke Becker, die den Fake, das „So-tun-als-ob" als neue, universelle Lebensstrategie feiern: gegen Festgefahrenheit, Saturiertheit und Langeweile. Wenn keiner wisse, was wirklich los sei, schaffe das eine ungeheure Dynamik in der Wirtschaft, in der Politik und besonders im Privatleben. „Du trittst der CDU bei, obwohl du nichts mit ihr am Hute hast, und du versprichst einem x-beliebigen Menschen ewige Treue und wartest mal ab, was dabei herauskommt." Nichts Gutes, sagt die Erfahrung, am Ende eine vielleicht...