Die Szene hat vielleicht einen geringen künstlerischen Wert, ja, aber das Soziale steht über dem Künstlerischen.“ Dieser Kommentar rahmt eine Intervention innerhalb der Aufführung „Fantasie für morgen“ von Marco Layera und seiner Gruppe La Resentida aus Chile, die das diesjährige Festival Theaterformen in Hannover eröffnete. Ihm voraus gingen ein Bekenntnis, das den Zuschauern chorisch abgenommen wurde („Ich, das Publikum, verpflichte mich, Beistand zu leisten und damit die Kluft der Ungleichheit zu schließen“), sowie der Appell, jetzt und hier zwanzig Euro für den zehnjährigen Roberto zu spenden. Roberto komme aus Chile, sei arm, seine Mutter eine Putzfrau, sein Vater im Gefängnis, und wenn wir nicht spenden, tragen wir Mitschuld an seiner Zukunft als Straftäter. – Und so zückt die Mehrheit der Zuschauer ihre Portemonnaies und stopft, scheinbar begierig, eine gute Tat zu tun, Scheine in die kreisenden Hüte, bis eine Performerin einen Zuschauer in „Hugo-Boss-Anzug“ denunzierend zur Rede stellt, warum „ausgerechnet er“ nichts gebe. Die plakative Beschimpfung endet damit, dass sie sich ihre Sachen vom Leib reißt und dem Mann für Geld einen Blowjob anbietet. Dazu kommt es freilich nicht.
Für die 25. Ausgabe des Festivals setzt die neue Leiterin Martine Dennewald, gebürtige Luxemburgerin und studierte Dramaturgin und Kulturmanagerin, die zuletzt...