Theater der Zeit

Shoko Nakamura

Shoko Nakamura

von Jan Stanislaw Witkiewicz und Shoko Nakamura

Erschienen in: Shoko Nakamura & Wieslaw Dudek (06/2015)

Assoziationen: Asien

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Frau Nakamura, warum sind Japaner so besonders interessiert am Ballett?

Viele japanische Kinder machen Ballett und sie wollen nach Europa auf die Ballettschule, weil sie denken, Ballett sei in Europa viel besser. In Japan gibt es keine professionellen Schulen. Deswegen denken alle: Wenn ich es professionell machen möchte, muss ich nach Europa gehen.

Auch wenn europäische Truppen nach Japan kommen, füllen sie ohne Probleme ganze Säle und viele Japaner fliegen für eine Vorstellung nach Europa, schauen sich diese an und fliegen wieder zurück. Warum lieben die Japaner das Ballett so sehr?

Vielleicht wegen Tetsuya Kumakawa und Miyako Yoshida, die beide am Royal Ballet in London getanzt haben. Als sie nach Japan zurückkamen, wurden ihre Ballette gezeigt und alle waren begeistert. Tetsuya Kumakawa war der Erste Solotänzer und ist mit 27 Jahren nach Japan zurückgekehrt. Darum, denke ich, wollten immer mehr Kinder Ballett tanzen.

Wie viele Ballettstudios gibt es in Fukuoka, wo Sie aufgewachsen sind?

Bestimmt ungefähr fünfzig.

So viele?! Wo findet man das in Europa?

Nirgends. Viele Kinder machen in Japan Ballett. Und Ballett ist auch das Hobby vieler Japanerinnen, die das abends nach der Arbeit machen.

Warum haben Sie mit dem Tanzen angefangen?

Es waren eigentlich meine Eltern, die das forcierten und dachten, dass es gut für mich sein könnte. In Japan gibt es die Vorstellung, dass Ballett für Mädchen gut ist, da es gute und schöne Körper mache.

Aber mit sechs Jahren – war das nicht zu früh?

Ja, aber am Anfang ist es eher wie spielen. Ballett war damals einfach: das Trikot anziehen, bisschen vor dem Spiegel springen und tanzen. Es hat Spaß gemacht.

Gibt es da regulären Unterricht in der Schule und getrennt davon Ballettunterricht?

Ja, es gibt regulären Unterricht in der Schule und das Ballett findet in der freien und privaten Zeit statt. Am Anfang bin ich dreimal die Woche zum Ballett gegangen. Mit meiner Schwester. Sie hat zuerst mit dem Ballett angefangen. Dann wollte ich auch gern gehen und wir haben zusammen getanzt. Das erste Jahr war ich in Saga in der Schule und dann sind wir umgezogen nach Fukuoka. Dort, in der Chikako Tanaka Ballet School, war das Niveau höher und es gab gute Tänzer. Dort habe ich dann gemerkt, dass ich mehr wollte vom Ballett. Es sollte nicht mehr nur Spaß machen, sondern ich wollte etwas zeigen und an Wettbewerben teilnehmen. Dort haben wir angefangen, es professioneller zu machen.

Wenn ich mir Fotos aus dieser Zeit anschaue, bin ich erstaunt, denn ich sehe dieses sehr junge, kleine Mädchen auf Spitzen. War das nicht doch ein wenig zu früh?

Ja, ich denke, für die Spitzen war es ein bisschen früh, aber so war das in Japan. Die Lehrer dachten, wenn eine Schülerin ein gewisses Alter erreicht hat, dann kann sie auf Spitzenschuhen tanzen. Hier in Europa wusste man, dass man individuell schauen muss, wann ein Schüler die Technik und die Stärke für die Spitzenschuhe hat. In Japan gibt es nicht diesen individuellen Blick. Es wurde nicht geschaut, ob ein Schüler schon die Technik und Kraft hat, um auf der Spitze zu tanzen. Die Lehrer waren nicht professionell genug. Ich denke, für mich war es zu früh, da ich noch keine Technik und keine Kraft in den Beinen hatte. Ich bin mit sechzehn Jahren nach Europa, zur John-Cranko-Schule in Stuttgart gekommen, weil ich den Prix de Lausanne gewonnen hatte und ein Stipendium bekam. Die Lehrer dort haben mich gefragt, ob ich Ballett gelernt hätte? Und ich war geschockt und traurig, denn ich wusste nicht, was sie meinten. Ich hatte schließlich einen Preis gewonnen und ein Stipendium bekommen. Aber es war richtig! Ich wusste zum Beispiel nicht, wie man in der ersten Position steht. Ich stand völlig falsch, o-beinig, den Po nach hinten gestreckt und so weiter. Mein Körper war eigentlich nicht geeignet für Ballett. Ich hatte O-Beine, meine Knie waren groß, meine Hüfte war nach innen gebogen. Frau Ute Mitreuter von der John-Cranko-Schule hat meinen Körper verändert. Ich kann sagen, glücklicherweise. Sie hat mir meine Karriere ermöglicht. Wenn ich sie nicht getroffen hätte, wäre ich heute nicht hier.

Ihre Lehrer in Japan sagten, dass Sie keine Tänzerin seien?

Ja, sie haben immer gesagt, dass es für mich vielleicht schwierig wird, eine Ballerina zu werden. Ich hatte keinen so perfekten Körper. In unserem Studio gab es viele Tänzer mit schönen Körpern, deshalb meinten die Lehrer, dass ich nicht so gute körperliche Voraussetzungen hätte. Ich habe darunter gelitten, denn ich konnte sehen, dass die anderen Kinder bessere Körper und schönere Figuren hatten als ich. Aber gleichzeitig habe ich das Ballett so geliebt. Ich bin kein so offener Mensch und deshalb war ich in der normalen Schule immer im Hintergrund. Auf der Ballettschule habe ich mich geöffnet. Im Studio fühlte ich mich wie ein anderer Mensch. Die schönen Kostüme ... Ich fühlte mich wie etwas Besonderes, nicht mehr wie die graue Maus, sondern wie eine Prinzessin. Deshalb hat es mir so gefallen. Ich konnte meine Fantasie ausleben ...

Mein erster Wettbewerb war mit elf Jahren. Dort habe ich eine Variation aus Léon Minkus’ „Paquita“ getanzt. Mit einem schönen roten Kostüm und ich hatte viel Make-up. Ich habe in den Spiegel geschaut und fand mich schön – zum ersten Mal fühlte ich mich schön. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin – und nicht wie Shoko. Als „normale“ Shoko war ich ruhig und nichts Besonderes, aber mit dem Kostüm und auf der Bühne habe ich etwas gefunden, einen besonderen Ausdruck, bin ich in eine andere Welt getaucht. Ich habe eine zweite Shoko gefunden.

Haben die Lehrer auch gemerkt, dass Sie etwas Besonderes sind?

Nein, nein. Aber vor meinem Auftritt, als ich mich im Spiegel sah und schön fand, habe ich einen anderen Ausdruck bekommen. Ich habe meine Welt gefunden. Meine eigene Welt.

Nach diesem Ereignis fühlten Sie sich besser?

Mal so, mal so.

Wie im Leben.

Ja, wie im Leben. Bis ich fünfzehn oder sechzehn war, hatte ich diesen Komplex mit meinem Körper.

Aber durch Ihre Erfolge bei den Wettbewerben haben Sie doch gesehen, dass Sie etwas Besonderes sind. Dass Sie etwas hatten, das die Leute mögen.

Ja, aber mein Körper hat sich dadurch nicht verändert. Ich wollte auch das, was die anderen hatten: einen schönen Körper, schöne Füße, ein hübsches Gesicht, eine schöne Linie. Ballett muss schön sein. Ich sah mich und die anderen jeden Tag im Spiegel.

Vergleichen Sie sich bis heute mit den anderen?

Nicht so sehr. Heute habe ich mich gefunden. Ich habe meine Welt gefunden.

Haben Sie sehr hart gearbeitet?

Natürlich! Immer! Ich dachte, das ist meine einzige Möglichkeit. Ich muss nur arbeiten, dann kann ich etwas erreichen. Vor dem Prix de Lausanne kam einer meiner Lehrer wegen der modernen Choreografie zu mir und sagte: Shoko, es kann sein, dass du keinen perfekten Körper hast, keine langen Beine, aber für eine Ballerina sind lange Arme und ein langer Hals wichtiger. Und ich dachte, das ist meine Chance!

Ich habe immer darauf geachtet, einen langen Hals und lange Arme zu machen. Eine Ballerina muss nicht unbedingt lange Beine haben, sondern man braucht auch Ballerinen mit langen Armen, schönen Schultern – in „Schwanensee“ beispielsweise. Ich habe deshalb immer versucht, mich zu verlängern. Ich habe für das Ballett alles gegeben, was man geben kann.

Es ist unglaublich, dass Sie so lange mit sich unzufrieden waren.

Weil mein Kopf immer sagte, dass eine Ballerina lange Beine haben muss und ...

... auch weil die Lehrer Ihnen immer erzählt haben, Sie hätten nicht den richtigen Körper dafür?

Ja. Aber natürlich haben sie es nicht jeden Tag gesagt. Sie meinten einfach, es könnte für mich schwierig werden. In Japan denken alle, dass nur schöne Leute Ballett machen. In meinem Studio gab es sehr viele schöne Tänzer.

Haben dort viele Lehrer unterrichtet?

Nein, nur eine. Es war ein privates Studio.

Sie waren ständig bei dieser einen Lehrerin?

Ja. Und manchmal kamen Assistenten oder ältere Lehrer dazu.

War das teuer?

Ja, in Japan ist die Ballettschule sehr teuer. Man musste jeden Monat dafür zahlen. Und dann zusätzlich für die Aufführungen, die Kostüme und die Gastlehrer. Es war schon viel. Während ich in der Ausbildung war haben meine Eltern nichts gesagt, aber seitdem ich professionell arbeite sagen sie mir, dass es eine sehr schwere Zeit für sie war. Es war eine finanzielle Belastung. Und wir waren zwei, ich und meine Schwester.

Aber Ihre Schwester hat recht früh aufgehört.

Ja, aber sie hat auch in Wien getanzt. Wir haben dort zusammen getanzt. Natürlich war es für sie auch sehr schwer. Alle haben sie immer nur als meine Schwester gesehen. Sie konnte nicht das erreichen, was ich erreicht habe, obwohl sie gekämpft hat. Und sie hat Japan so sehr vermisst. Aber sie hat mir viel geholfen und mich immer unterstützt. Es gab so viele Leute, die mich unterstützt haben.

Gott sei Dank trifft man Leute, die einem helfen. Sind Sie in Ihrer Schulzeit in Japan viel bei Schulvorstellungen aufgetreten?

Nein, nicht so oft. Meistens habe ich für die Wettbewerbe gearbeitet. Fast alle Kinder machen nur Wettbewerbe. Schade! Dort geht es nur um Show und Technik. Es geht nicht darum, was Ballett ist, sondern nur darum, wie viele Drehungen und Sprünge man macht. Es ist schade, dass niemand den Kindern die Positionen von Anfang an zeigt.

Haben Sie in Japan viele Wettbewerbe gewonnen?

Am Anfang nicht, aber später ja. Ich habe erste und zweite Preise gewonnen. Als ich die ersten Preise gewonnen habe, wusste ich, dass ich Ballerina werden möchte.

Wie kam es dazu, dass Sie am Prix de Lausanne teilnahmen?

In Japan denken alle, dass der Prix de Lausanne ein Wettbewerb ist, an dem man teilnimmt, wenn man einige Wettbewerbe in Japan gewonnen hat. Heute kann man nicht so einfach daran teilnehmen, aber früher konnten von jeder Schule drei Tänzer nach Lausanne gehen. Natürlich hatte meine Lehrerin schon früher mit meinen Eltern darüber gesprochen. Sie meinte, sie hoffe, dass wenigstens einer von den Tänzern aus unserer Schule weiterkommt. Und dann sind wir nach Lausanne gereist. Ich war zum ersten Mal in Europa und als ich ins Studio gegangen bin und diese Körper der kleinen Europäerinnen gesehen habe, kamen sie mir wie Engel oder Prinzessinnen vor. So müssen Ballerinen sein! Was mache ich hier? Ich schaffte die erste Runde. Das war schön! Der nächste Schritt war eine Variation. Ich fing an. Die Musik ging los ... Vor der Pirouette bin ich ausgerutscht. Es schien mir alles wie in Zeitlupe. Ich stand auf und tanzte weiter. Ich musste weitermachen. Und ich habe bis zum Ende getanzt. Ich war davor noch nie ausgerutscht und dann ausgerechnet beim Prix de Lausanne! Ich habe geweint. Alle trösteten mich und sagten mir, ich solle weitermachen. Dann ging ich wieder auf die Bühne. Natürlich lernen japanische Tänzer keine zeitgenössischen Stücke. Dort machte ich das zum ersten Mal. In Japan gab es nur das klassische Ballett. Ich tanzte also zum ersten Mal modern und danach sagten alle, ich sei eine andere Shoko gewesen. Ich habe wohl gut getanzt. Der Sturz hatte bei mir zu einer großen Konzentration geführt und ich schaute mir die anderen an, die europäischen Tänzerinnen. Ich schaute mir alles ab von den anderen, ich kopierte sie. Für mich war das egal. Mich hat interessiert, wie sie die Bewegungen machen, wo sie ihren Kopf haben, wo ihre Arme und Hände. Ich bin nicht so ein Mensch, der alles schnell aufnehmen kann, aber  diesem Moment war es möglich. Mein Körper konnte in dem Moment alles zeigen. Alle fragten mich, wo hast du das gelernt? Und ich schaffte es ins Finale. Alle waren überrascht. Ich hatte plötzlich Angst vor dem Finale und ich rief meine Mutter an und sagte ihr: „Ich bin im Finale, aber ich will nicht tanzen. Mama, ich kann nicht tanzen!“ Noch heute erzählt meine Mutter davon. Aber dann habe ich getanzt und alles hat geklappt. Ich bekam das Stipendium und den Zuschauerpreis. Unglaublich! Ich konnte es nicht fassen. Meine Lehrerin konnte es auch nicht fassen, zumal sie eine Tochter hatte, die auch Ballett machte und mit der sie ein Jahr zuvor beim Prix de Lausanne gewesen war. Sie hatte es aber nicht ins Finale geschafft. Vielleicht hat sie mir auch immer gesagt, ich sei keine Ballerina, damit ihre Tochter besser dasteht. Vielleicht hat die Lehrerin gedacht, Shokos Körper ist zwar nicht so gut, aber sie hat etwas Besonderes.

Was haben Sie in Lausanne getanzt?

Eine Variation aus „Korsar“ von Marius Petipa und „Kokuhaku” von Nobuyuki Nakajima.

Nach dem Prix de Lausanne hatten Sie die Möglichkeit, an die John-Cranko-Schule zu gehen.

Ja. Vor dem Prix de Lausanne wurde man gefragt, an welche Schule man gehen würde, wenn man ihn gewinnt. Da ich keine Schulen kannte, fragte ich meine Lehrerin, denn ich wusste nicht, was ich schreiben sollte. Ich kannte nur die Pariser Opéra und das Royal Ballet und sonst nichts. An der John-Cranko-Schule gab es eine andere japanische Tänzerin, die ich vom Sehen kannte. Sie hatte eine besondere Aura. Ich hatte sie bei Wettbewerben gesehen und ich wollte so sein wie sie. Ich hatte gehört, dass sie an der John-Cranko-Schule gewesen war und so habe ich auch diese Schule angegeben. Und ich bekam ein Stipendium für die John-Cranko-Schule. Vielleicht hätte meine Karriere einen anderen Verlauf genommen, wenn ich auf eine andere Schule gegangen wäre.

Haben Sie sich jemals vorgestellt, im Corps de Ballet zu tanzen, oder haben Sie sich immer als Ballerina gesehen?

Ich wollte in einer Ballett-Kompanie arbeiten. Ich dachte nicht direkt, dass ich Solistin werden würde. Nach meiner Ausbildung an der John-Cranko-Schule bekam ich ein Eleven-Engagement in Stuttgart. Und ich konnte die Ersten Solistinnen aus der Nähe sehen und in mir ist immer mehr der Wunsch erwachsen, so sein zu wollen wie sie.

War das einfach für Sie, nach Stuttgart zu kommen – mit sechzehn Jahren?

Es war mein Traum, nach Europa zu gehen und jeden Tag, den ganzen Tag, tanzen zu können. Ich bin damals mit der ganzen Familie nach Stuttgart geflogen und habe dort im Internat gewohnt. Nach einiger Zeit flog meine Familie zurück und ich war alleine. Das war sehr schmerzvoll. Ich habe meine Mutter jeden Tag angerufen: Mama, ich will nach Hause, ich will nicht mehr Ballett machen! Ich hatte nichts. Keine Freunde. Kein TV. Ich konnte nicht essen. Es war so schmerzhaft. Im Internat war ich alleine. Zudem hatte die Ballettschule noch nicht angefangen. Dann fing ich langsam mit dem Ballett an und hatte viel zu tun. Aber jeden Tag habe ich geweint. Zwei Jahre lang war es schwer.

Aber warum, das war doch Ihre Welt?

Ja, aber die Lehrer haben mich jeden Tag schlecht gemacht. Ich dachte, sie hassen mich, und ich habe geweint. Aber nach dem ersten und zweiten Jahr habe ich verstanden, dass sie aus mir einen Profi machen wollten. Sie haben mich gepusht.

Als Sie nach Europa kamen, haben Sie da schon Englisch gesprochen?

Nein, nur Japanisch. Die Lehrer haben mir mit dem Körper gezeigt, was ich tun soll.

Zurück zu Ihrer Zeit in Japan. Lehrer machen auch Fehler und ihnen zehn Jahre lang ausgesetzt zu sein, prägt einen.

Ja, aber in dieser Zeit wusste ich nicht, was richtig und was falsch war. Ich musste einfach erfüllen, was die Lehrer von mir wollten.

Ich glaube, das hängt auch mit der japanischen Mentalität zusammen, dass man den Lehrer nicht in Frage stellen darf.

Ja.

Warum konnte man das Studio nicht wechseln?

In einer Stadt gibt es so viele verschiedene Studios, die in Konkurrenz zueinander stehen, und jedes Studio hat seinen eigenen Stil. Es war nicht möglich zu wechseln. Wenn meine Eltern die Entscheidung getroffen hätten, dass ich das Studio wechseln soll, dann hätte ich das gemacht. Wissen Sie, in Japan treffen die Eltern die Entscheidungen.

Die Lehrer in Stuttgart fingen dann an, mit Ihnen zu arbeiten.

In Japan hatte ich mehr Technik gelernt, ich konnte Pirouetten und so. Aber in Stuttgart konnte ich es nicht zeigen, weil die Lehrerin Ute Mitreuter sagte, ich hätte keine Basis. Meine Technik war ihr egal. Sie hat mit mir von vorne angefangen. Wie man stehen muss, alles von Anfang an. Ich sollte alles vergessen, was ich in Japan gelernt hatte, und musste neu anfangen.

Wie war das für Sie, als Sie gehört haben, dass diese zehn vergangenen Jahre nichts wert waren?

Ich war schockiert. Meine Lehrerin hatte es vielleicht auch zu stark formuliert, aber ich denke, sie wollte mir die Basis vermitteln. Nicht Technik, Pirouette oder Balance, sondern erst muss man die Basis entwickeln. Ohne Basis kann man kein schönes Ballett zeigen. Meine Lehrerin sagte, dass ich ohne diese Basis keine Ballerina sein könne.

War das schwer?

Sehr schwer. Ich verstand, was sie meinte, aber mein Körper funktionierte nicht. Er hatte zu lange anders gearbeitet. Er hat das am Anfang nicht gekonnt. Und ja, ich habe jeden Tag geweint, aber meine Hoffnung, dass ich vielleicht eines Tages Ballerina sein und in einer Kompanie tanzen könnte, war immer da. Deswegen bin ich nach Europa gegangen und habe alles gegeben. Und ich habe alles gefunden. Gott sei Dank. Du kannst deine Muskeln nutzen und drehen, und du kannst deine Linie finden. Du kannst deinen Körper nicht vom Körperbau her ändern, aber über die Muskeln kannst du deinen Körper formen und eine eigene Linie entwickeln. Und ich habe hart daran gearbeitet. Habe langsam verstanden, was meine Lehrerin wollte, und wie ich das machen konnte.

Shoko Nakamura beim Wettbewerb in Saitama, 1992. Sie tanzte die Variation von „Paquita“ von Ludwig Minkus.

Haben Sie nur mit Ute Mitreuter gearbeitet oder auch mit anderen Lehrern?

Nur mit ihr.

Jeden Tag?

Jeden Tag, etwa zwei Stunden. Und danach hatten wir dann auch Klassen für Pas de deux oder verschiedene Techniken des modernen Tanzes mit anderen Lehrern, aber die Basisarbeit im klassischen Ballett nur mit ihr.

Hat Ihre Familie Sie besucht?

Während der Schulzeit nicht. Nach einem Jahr in den Sommerferien bin ich nach Japan geflogen und ich hatte ein wenig zugenommen wegen des anderen Essens. Meine Mutter, die keine Ahnung vom Ballett hat, sagte: „Shoko, du siehst anders aus, du hast eine andere Linie. Vielleicht war es gut für dich, dass du auf diese Schule gegangen bist.“ Als meine Mutter das gesagt hat, war ich überrascht, dass sie die Veränderung sehen konnte. Ich war so froh.

Was wollten Sie nach der Schule in Stuttgart machen?

Wir, meine Freundinnen von der Schule und ich, wollten uns ausprobieren und sind zum Vortanzen nach Hannover gefahren. Ich wollte einfach mal sehen, wie eine Audition abläuft. Dort waren viele Leute und es war unsere erste Audition. Und dann, das war lustig, habe ich dem Direktor gefallen und er wollte mir einen Vertrag geben. Ich hätte nie gedacht, dass ich einen Vertrag bekommen könnte. Aber ich wollte nicht in Hannover tanzen, sondern in Stuttgart. Er sagte, er könne warten, und ich bin zurück nach Stuttgart gegangen. In Stuttgart hat mich Ute Mitreuter dann beim dortigen Direktor gepusht, aber ich habe keinen Vertrag bekommen. Meine Lehrerin meinte, ich sollte es versuchen, und ich habe mehrere Auditions gemacht. Aber nichts hat geklappt. Dann habe ich in Stuttgart in einer Schülervorstellung getanzt und Ute Mitreuter hat wieder dem Direktor gesagt: Schau dir Shoko an, sie ist gut. Und nach der Vorstellung habe ich einen Elevenvertrag bekommen.

Was haben Sie da getanzt?

Von John Cranko „Pineapple Poll“. Ich habe die Hauptrolle getanzt. Dann haben sie mich genommen, nicht im Corps de Ballet, aber als Elevin. Na, Gott sei Dank. So habe ich im Stuttgarter Ballett angefangen und es ist viel passiert.

Sie haben in Stuttgart zum ersten Mal mit einem Ensemble zusammengearbeitet. Proben, Training und so weiter. War es so, wie Sie es sich vorgestellt hatten?

Das war total anders als in der Schule. Die Lehrer sagten nichts. Am Anfang habe ich keine Rollen bekommen. Ich musste immer hinten stehen und probieren. Ich hatte auch keine Vorstellung. Aber Vladimir Malakhov war da. Dann plötzlich eines Tages fragte er mich, ob ich Zeit hätte. „Komm bitte, ich brauche deine Hilfe.“ Wir sind in ein Studio gegangen und er hat mir eine Choreografie gezeigt und mich gebeten, sie zu tanzen. Er wollte sehen, wie es wirkt. Es war aus „Die Bajadere“, die Variation von Hamsatti im vierten Akt. Er hatte eine eigene Choreografie gemacht, die ich sehr viel später auch auf der Bühne getanzt habe. Aber sonst war diese Zeit so langweilig, ich hatte keine Vorstellung. Und dann habe ich mich verletzt bei einem kleinen Sprung, einfach so. Ich dachte sofort, dass etwas Schlimmes passiert sei. Ich ging in die Physiotherapie. Sie sagten, geh zum Arzt. Der Arzt hat es geröntgt: Mein großes Band war gerissen. Sie meinten, ich solle eine Operation machen. Ich hatte Angst. Ich rief meine Mutter an und sie sagte: Komm nach Japan. Da sei es für mich besser, weil ich dort die Sprache verstehe.

Dann bin ich nach Japan geflogen und zu einem Arzt gegangen, zu dem viele Tänzer gehen. Er sagte: „Die Bänder sind gerissen. Bei normalen Leuten wachsen sie wieder zusammen, aber du bist eine Tänzerin und du musst eine Operation machen. Ich gebe dir drei Stunden, um dich zu entscheiden.“ Am nächsten Tag wurde ich operiert. Ein paar Tage musste ich in Tokio bleiben. Danach ging ich nach Fukuoka. Als ich wieder laufen konnte, flog ich zurück nach Stuttgart. Und der dortige Direktor hat mir leider keinen neuen Vertrag gegeben.

Wie lange hat das gedauert?

Ein halbes Jahr.

Was machen Ihre Eltern beruflich?

Meine Mutter hat nicht gearbeitet und mein Vater ist Geschäftsmann. Ich habe zwei jüngere Schwestern. Eine, Yoko, ist auch Tänzerin, sie hat ein eigenes Studio aufgemacht. Die andere, Shuri, sie ist sieben Jahre jünger als ich, kocht in einem Kindergarten.

Dachten Sie, dass es mit Ihrer Karriere zu Ende ist, als Sie nach der Operation nach Stuttgart zurückkamen?

Ja! Es war schwer. Ich ging alleine ins Office des Direktors und fragte nach. Ich wusste, dass ich ein halbes Jahr nicht gearbeitet hatte, weil ich verletzt war. Und ich wusste, dass es sein könnte, dass ich den Vertrag für das nächste Jahr nicht bekomme. Ich hatte Angst. Der Direktor war sehr streng. Er sagte, natürlich kann ich dir keinen Vertrag für die nächste Saison geben. Das war am Ende der Saison. Ich bin wieder nach Japan zurück. Dort war ich über den Sommer. Zu dieser Zeit war meine Schwester in Hamburg in der Schule von John Neumeier. Nach dem Sommer ging ich auch nach Hamburg und konnte bei ihr wohnen. Von dort aus habe ich Auditions gemacht. Ich denke, ich hatte Glück. Meine Schwester hatte von dem Vortanzen in Wien gehört und mir davon erzählt. Ich nahm noch am selben Tag den Nachtzug nach Wien. Nach vierzehn Stunden kam ich morgens um 4.30 Uhr in Wien an. Nichts war offen. Ich ging zu McDonald’s und wartete dort.

Irgendwann bin ich zum Opernhaus gefahren und habe dort weiter gewartet. Ich schaute das Opernhaus an und dachte: Es ist so schön, hier möchte ich arbeiten. Als es öffnete, ging ich zur Audition. Es waren viele Leute da. Ich konnte kaum stehen, weil es so viele andere Mädchen gab, eine stand direkt hinter der anderen an der Stange. Ich ging nach vorne und blieb bis zum Ende.

Was passiert eigentlich bei einer Audition?

Es ist immer ein bisschen anders. Aber eigentlich läuft es so: Jede Tänzerin bekommt eine Nummer und die Ballettmeister machen ein Training. Und nach kurzer Zeit werden die ersten Nummern entlassen. Die Ballettmeister sagen: Wir danken den folgenden Nummern fürs Kommen. Danke, danke, danke, und dann geht es weiter und dann heißt es wieder: Wir danken den folgenden Nummern fürs Kommen. So werden es immer weniger. Am Schluss dann sind nur noch ganz wenige da und sie machen das Training bis zum Ende. Dann gibt es eine Besprechung zwischen den Ballettmeistern. Und dann sie sagen: Diese Nummern können bitte zum Office gehen und dort vorsprechen. Ich bin in Wien zum Büro gegangen und habe einen Vertrag bekommen.

Ihr erster richtiger Vertrag?

Ja!

Wir haben noch nicht über den Wettbewerb in Luxemburg gesprochen, wo Sie den ersten Preis gewonnen haben.

Ich war noch im Corps de Ballet und ich hatte viel Zeit. In der ersten Etappe hatte ich „Esmeralda“ getanzt. Aber bevor ich anfangen konnte, hieß es: „Esmeralda“ kann nicht getanzt werden, es steht nicht auf der Liste der Stücke, die getanzt werden dürfen. Und dann hat Renato Zanella gefragt, kannst du etwas anderes tanzen? Was? Ich habe dann das Gleiche wie beim Prix de Lausanne getanzt und es zum Glück geschafft. Ich hatte nicht gewusst, dass es eine vorgegebene Auswahl an Stücken gab.

Was bedeutet der Erste Preis? Haben Sie Geld oder Einladungen zu Gastauftritten bekommen?

Ich habe Geld bekommen, aber keine Angebote.

In Europa haben Sie nur an den Wettbewerben in Lausanne und Luxemburg teilgenommen. Warum?

Ich hatte keine Zeit und es interessierte mich nicht mehr so. In jungen Jahren hatte es mich interessiert, aber danach nicht mehr so sehr.

Sind Sie viel zu Ballettvorstellungen gegangen?

Sehr viel. Als Student konnte man günstiger in die Vorstellung gehen. Ich habe viel gesehen. Und es war wichtig und es hat Spaß gemacht, so viel Verschiedenes zu sehen.

Haben Sie sich schon damals für andere Tanztechniken als die klassische interessiert?

Mich hat besonders der Ausdruck interessiert. Es gibt so viel Dramatik bei „Romeo und Julia“, „Kameliendame“ oder „Onegin“. Aber jede Primaballerina hat einen eigenen Ausdruck. In Japan zeigen die Tänzer sehr wenig Ausdruck. Sie sind so nach innen gerichtet, so zurückgezogen. Sie haben keinen Ausdruck, weil man an normalen Tagen auch keine Gefühle zeigt. Ich habe das auch von Wieslaw, meinem Mann, gelernt. „Wenn du traurig bist, kann ich dir helfen, wenn du fröhlich bist, kann ich mit dir fröhlich sein“, sagte er. Das war total anders. Und dann, langsam, langsam, habe ich es ausprobiert, weil er immer so viel gefragt hat. Shoko, warum bist du so, oder so. Und dann habe ich mich geöffnet. Das war auch für das Ballett gut.

Kunst ist nicht nur Technik, sondern auch Ausdruck – Gefühle zeigen.

Ja, das ist für das Ballett wirklich sehr wichtig. Wenn ich mir japanische Vorstellungen anschaue, denke ich, das fehlt, das fehlt wirklich. Sie haben eine sehr gute Technik aber der Ausdruck fehlt.

Haben Sie in Ihrem privaten Leben auch Schwierigkeiten, Gefühle zu zeigen?

Ja. Wieslaw ist mein erster Freund. Das Ballett war wie mein Partner. Nur Ballett. Ich hatte keine Zeit für Partnerschaften und es hat mich nicht interessiert. Nur Ballett war wichtig!

Aber wenn Jungs oder Mädchen erwachsen werden, brauchen sie ein bisschen mehr als tanzen, schlafen ...

Ballett war mein Leben. Es gab viel zu tun für mich. Es gab viele Informationen für mich zu verarbeiten. Das hat mich interessiert. Deswegen bin ich bis spät abends im Ballettsaal geblieben. Irgendjemand hat mal gesagt: Shokos Freund ist das Ballett.

Sie haben doch auf der Bühne gemerkt, dass, wenn Sie sich in gewissen Rollen öffnen ...

Ja, aber nur langsam. In Wien ist viel passiert und ich habe meinen Ausdruck dort gelernt.

Wie war das, als Sie das erste Mal auf der Bühne als professionelle Tänzerin aufgetreten sind?

Es war als Schneeflocke in „Der Nussknacker“. Das war das erste Mal, dass ich mit der Gruppe tanzen konnte und nicht mehr am Rand sitzen musste. Aber bevor ich in Wien das Vortanzen gemacht hatte, war ich in Nürnberg auf einer Audition gewesen. Dort gab es eine ganz moderne Kompanie. Sie gaben uns nur eine Musik vor und baten uns, zu improvisieren. Ich hatte das noch nie gemacht, ich hatte keine Ahnung. Und ich habe das Gleiche wie eine Frau in Rosa getanzt und ein bisschen so und so gemacht. Diesem Direktor hat mein Tanz gefallen und er hat mich für drei Monate engagiert, um an einer modernen Choreografie mitzutanzen. Ich habe viele moderne Sachen probiert, aber nie die Vorstellung getanzt. Aber das war eine interessante Zeit.

Kommen wir zurück nach Wien.

Es gab dort viele Vorstellungen und ich war glücklich, dass ich so viele verschiedene Ballette tanzen durfte, in der Gruppe zwar, aber auf der Bühne. Dann ist Vladimir Malakhov nach Wien gekommen, um den „Maskenball“ einzustudieren und er hat mir ein Solo gegeben, das „Wintersolo“. Aber bei der Probe bin ich ausgerutscht und habe mir den Ellenbogen gebrochen. Deshalb konnte ich an der Premiere weder Solo noch in der Gruppe tanzen. Natürlich war ich sehr traurig, aber ich habe mir jede Vorstellung angeschaut. Denn ich habe mir gewünscht dieses Solo zu tanzen – ich hatte noch nicht in der Gruppe getanzt und mir schon gewünscht, das Solo zu tanzen. Ich habe mir immer vorgestellt, wie ich das machen würde. Und dann wurde mein Arm besser. Aber Renato Zanella war böse und sagte: „Du tanzt erst im Corps de Ballet und dann irgendwann Solo. Du hast eine gute Technik und sicherlich kannst du dieses Solo gut tanzen, aber weißt du, das ist eine Kompanie und du musst in der Gruppe arbeiten, denn die Gruppe ist auch wichtig.“ Ich fühlte mich schlecht, dass ich nur an mich gedacht hatte, nur an mein Solo. Aber am nächsten Tag rief er mich an und sagte mir, dass ich nächstes Jahr Demi-Solotänzerin sein würde. Was? „Ja, aber dieses Jahr musst du in der Gruppe tanzen und dich darauf vorbereiten.“

Und wie waren die Jahre in Wien? Sie haben Ihr eigenes Geld verdient, waren nicht mehr auf die Eltern angewiesen und Sie konnten endlich ein richtiges Künstlerleben leben.

Natürlich war ich glücklich und dankbar und ich habe viele Geschenke für meine Mutter und meine Schwester gekauft. Dann kam Vladimir wieder einmal nach Wien und inszenierte „Die Bajadere“. Mir gab er die Rolle der Hamsatti. Ich kannte diese Choreografie noch aus Stuttgart. Es war mein erstes großes Solo und ich habe viel dafür gearbeitet. Im Finale gibt es Fouettés – zweiunddreißig Pirouetten – und ich wollte dem Publikum etwas Besonderes geben. Im Proberaum habe ich immer Double gemacht und auf der Bühne fühlte ich mich gut und wollte ein Triple machen, dabei bin ich ausgerutscht, aber schnell wieder aufgestanden. Renato Zanella war sehr böse auf mich und vor allen hat er gesagt: Shoko, das ist nicht nur deine Show, sondern die der ganzen Kompanie. Und du hast die gesamte Kompanie blamiert.

Sind Ihre Eltern nach Wien gekommen?

Sie sind immer wieder gekommen, auch zu dieser „Bajadere“-Vorstellung. Sie wussten nicht, was mein Sturz für die Kompanie bedeutete. Ihnen hat mein Auftritt in dem Stück gefallen.

Was haben Sie noch getanzt?

Viele Renato-Zanella-Stücke und mit 23 Jahren zum ersten Mal „Schwanensee“. Das war mein Traum. Als ich mit den Proben anfing, kam wieder mein Komplex zurück, weil man in „Schwanensee“ ein Schwan sein muss. Aber ich konnte meinen Schwan nicht finden. Ich kannte die Choreografie, ich konnte sie tanzen, aber ich war kein Schwan. Und besonders weil alle Corps-de-Ballet-Tänzerinnen Europäerinnen waren. In der Schwanenpose hatte ich einen zu großen Kopf ... Ich bin eine sehr starke Kritikerin von mir selbst. Im Spiegel sah ich mich nicht als Schwan und ich habe mich nicht als Schwan gefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass alle anderen mehr Schwan sind als ich.

Wenn man sich selbst im Spiegel sieht, ist man nicht objektiv.

Ich sehe immer nur meinen Komplex.

Bis heute?

Ich weiß nicht, wann es sich verändert hat, aber jetzt sieht es anders aus. Ich muss jeden Tag daran denken, dass ich mich von unten bis oben richtig platziere. Dann kann ich tanzen.

Haben Sie Ihren Schwan vor der ersten Vorstellung gefunden?

Ich habe ihn nicht gefunden, aber ich habe trotzdem getanzt. In Wien hatte ich mit der Zeit einige Fans. Auch nach der „Schwanensee“- Vorstellung haben viele Leute auf mich gewartet und mir gesagt, du hast einen besonderen Schwan getanzt, wie ein japanischer Schwan, im japanischen Stil oder der japanischen Tradition. In meinem Kopf hatte ich immer einen europäischen Schwan und dann habe ich realisiert, ich könnte auch einen japanischen Schwan finden, meinen eigenen Schwan. Meinen eigenen Stil. Die Worte der Zuschauerin haben mir die Augen geöffnet, dass ich nicht den europäischen Stil kopieren muss, sondern vielleicht auch meinen eigenen Stil finden könnte. Gut, ein japanischer Schwan. Warum nicht? Später war Margaret Illman in Wien. Sie arbeitete mit uns und sagte mir über die Rolle des Schwans: „Sie sieht aus wie ein Schwan, aber innen drin ist sie wie ein Mensch. Sie denkt, ah, so ein schöner Morgen, wieder ein neuer Tag. Putze ein bisschen dein Gesicht. Schau ins Wasser und realisiere anhand deines Spiegelbildes: Oh, ich bin immer noch ein Schwan. Dann erst kommt die Traurigkeit – warum bin ich ein Schwan? Ich bin ein Mädchen, aber in einem Schwanenkörper ...“ So konnte ich meine eigene Geschichte für den Schwan finden. Und dann hat es so viel Spaß gemacht diese Rolle zu tanzen. Danach habe ich für jedes Ballett solche Geschichten erfunden. Andere Seiten gesucht. Mich gefragt, wie ich es fühle. Und wie ich einen Zugang finden kann. „Fühle deine Geschichte und dann wird tanzen ganz einfach“, sagte Margaret Illman. Und es stimmt.

Rein technisch ist die Rolle schwer zu tanzen?

Früher war es schwer, aber jetzt ist es sehr natürlich und interessant. Früher habe ich die Choreografie getanzt. Heute lebe ich die Rolle und auch das Publikum merkt das. Ich bin so froh, dass ich diese Informationen in mir gefunden habe.

Wachen Sie manchmal auf, weil Sie bei einer Rolle die Schritte vergessen?

Ja, es gibt solche Ballettträume.

Passiert das in Wirklichkeit?

Nein, das passiert nicht.

Verändern Sie die Choreografien?

Nein, das mache ich nicht. In der Probezeit frage ich Choreografen nach anderen Schritten, wenn es für mich nicht angenehm ist. Aber ich denke, man sollte es so machen, wie es der Choreograf will, und man darf es nicht verändern.

Haben Sie viel getanzt in Wien?

Ja, Renato hat mir viele Möglichkeiten gegeben. Das war gut. Ich konnte meine Technik und meinen Ausdruck auf der Bühne aufbauen.

Sie sind schnell Solistin geworden.

Innerhalb von zwei Jahren. Ja, das war Glück.

Weil Sie dort sehr viel gearbeitet haben?

Ja, ich war immer im Ballettsaal. Nach der offiziellen Probe bin ich in den anderen Ballettsaal gegangen, um alleine zu probieren. Immer vor dem Spiegel, ohne Spiegel geht es nicht, denn ich muss meinen Körper kontrollieren. Das war das Einzige, das ich kontrollieren konnte. Ich habe in der Schulzeit gelernt, dass es mit meinem Körper nicht einfach ist zu tanzen, er hat nicht so schöne Linien. Deshalb muss ich für jeden Schritt eine schöne Linie finden, die schönste Pose suchen und dann eine Kopie machen. Deshalb habe ich keine Zeit für Shopping gehabt oder für Jungs oder Essen gehen ... Meine Schwester kam damals nach Wien und sie wollte auch lieber zu Hause bleiben. Ich war schon Solistin, aber sie war nur ein Jahr da in der Gruppe und ging dann zurück nach Japan. Aber sie hat mir immer Korrekturen gegeben. Sie hatte gute Augen.

Ich kann mir vorstellen, dass es schön aber auch schwierig sein kann, wenn zwei Schwestern in einem Ensemble tanzen; insbesondere wenn die Positionen so unterschiedlich sind.

Ja, für mich war es gut, aber für sie war es schwer. Sie wurde nicht als Yoko gesehen, sondern immer als meine Schwester.

Haben Sie zusammen gewohnt?

Ja, es war schön, mit ihr zusammen zu wohnen.

Und die sechs Jahre in Wien?

Es war eine schöne Zeit. Ich bin aufgestiegen, es ging bergauf und ich habe viel für die Karriere gemacht. Ich habe viel auf der Bühne getanzt, sehr viele unterschiedliche Stücke, und ich habe Karriere gemacht.

War das schön, wenn Sie nach der Vorstellung aus dem Theater kamen und so viele Leute am Ausgang auf Sie gewartet haben?

Das war sehr schön. Und es gab immer viele Blumen. Insbesondere bei meiner letzten Vorstellung, „Dornröschen“, bevor ich nach Berlin ging. Es gab in der Oper eine Frau, Traude Klöckl, die schon zu Nurejews Zeiten im Theater gearbeitet hatte und mir immer half. Vor allem als Renato Zanella 2005 in Wien zu arbeiten aufhörte und Gyula Harangozó als neuer Ballettdirektor kam. In dieser Zeit war ich nicht so glücklich. Und Frau Traude sagte: „Shoko, geh nach Berlin. Vladimir Malakhov hat eine neue Kompanie in Berlin und du hast viel mit ihm getanzt.“ Als ich 2006 bei Vladimir nachfragen wollte, ob er mich in Berlin brauchen kann, war er gerade in Japan auf Tournee und so telefonierte ich mit Yuri, seinem Manager. Meine Mama und meine Schwester Yoko waren in einer Vorstellung in Japan und haben Vladimir dort tanzen gesehen. Meine Schwester hat damals auch in Wien im Staatsopernballett getanzt und daher kannte sie Vladimir auch. Nach der Vorstellung in Japan hat sie beim Bühneneingang auf Vladimir gewartet, weil sie ihn begrüßen wollte. Vladimir sah meine Schwester und sagte ihr gleich, dass ich zu ihm nach Berlin kommen würde. Mir hatte er das bis dahin noch gar nicht mitgeteilt. Als er zurückkam, bestätigte er mir, dass ich natürlich nach Berlin kommen kann. Er meinte nur, dass er mich ja bereits im Jahr 2002 gefragt hätte! Ich hatte das damals wohl irgendwie nicht verstanden und Nein gesagt. Er freute sich, dass ich jetzt kommen wollte, und gab mir einen Vertrag als Solistin.

Kommen wir zurück zu Ihrer letzten Vorstellung in Wien.

Am Schluss habe ich über zwanzig Blumensträuße auf Bühne gereicht bekommen ... Es hat sich wie eine Familie angefühlt. Viele kannten mich von Anfang an, aus dem Corps de Ballet, als Demi-Solistin und schließlich als Solistin. Ich war wirklich dankbar. Ich habe dort eine gute Karriere gemacht.

Erzählen Sie mir, wie es nach einer Vorstellung ist. Sie sind hundemüde und dann geht der Vorhang auf und das Publikum klatscht und ruft: Bravo.

Das ist der beste Moment! Dann fühle ich, dass ich etwas Besonderes bin und dem Publikum etwas Besonderes geben kann. Und nur ich kann das dem Publikum geben. Es fühlt sich zumindest so an, als könnte nur ich das.

Wie schauen Sie heute auf Ihre Jahre in Wien?

Für mich war Wien das Beste. Ich habe alles gegeben, meine ganze Ballettenergie, und Renato hat mir viele gute Chancen eröffnet. Natürlich, manchmal bin ich in die falsche Richtung gegangen und Renato hat mich korrigiert. Ich habe viele Dinge und so viele neue Bewegungen gelernt. Ich habe mich geöffnet. Die Zeit in Wien war für mich wirklich gut.

Renato Zanellas Zeit in Wien beurteilt man heute verschieden. Nicht alle seine Choreografien waren gut. Ich erinnere an „Cinderella“ zur Musik von Johann Strauss, das war wirklich kein schöner Abend.

Natürlich ... Für mich war alles neu und alles war gut. Klar, manche Tänzer haben gesagt, das ist schlecht, diese Choreografie ist nicht gut, aber ich war froh, dass ich tanzen und auf der Bühne sein konnte.

Haben Sie Kritiken gelesen?

Ich habe davon gehört, aber ich habe sie nicht gelesen. Manche Tänzer haben mir gesagt: Shoko, ich habe deine Kritik gelesen, es war schöne Kritik.

Keine Interesse?

Ich habe sie alle zu Hause, aber ich habe nie die Kritiken gelesen. Das Office hat es für mich gesammelt, aber ich habe es mir nicht angeschaut.

Ist das schwierig für einen Tänzer, in so vielen verschiedenen Rollen aufzutreten? Heute das eine und in zwei Tagen etwas völlig Anderes – wie schafft man das mental?

Natürlich ist das schwer. Ich kann nicht zwei unterschiedliche Rollen an einem Tag probieren. Ich kann nicht sofort wechseln. Ich muss jede Rolle aufbauen.

Haben Sie bestimmte Rituale vor der Vorstellung?

Ich brauche Zeit, genug Zeit. Wenn nicht genug Zeit da ist, schaffe ich es nicht. Ich bin so drei, vier Stunden vor der Vorstellung im Opernhaus. Dann mache ich mein Make-up. Wenn ich das Make-up auftrage, komme ich schon in die Rolle. Ich kann dann wechseln. Ich bin dann nicht mehr Shoko. Ich schaue in den Spiegel und denke, oh, ich bin schön! Dann bin ich Julia oder der Schwan oder eine andere Rolle. Das ist wirklich so, das kommt vom Adrenalin. Dann mache ich mich langsam warm oder es gibt ein Training. Ich gehe auf die Bühne. Ich muss jedes Mal vor der Vorstellung auf die Bühne gehen und probieren, welches Paar Spitzenschuhe heute passt. Wirklich. Ich weiß es vorher nicht. Ich bringe circa sechs Paar Spitzenschuhe mit auf die Bühne, die ich vorher vorbereite, und dann probiere ich aus, welches Paar heute passen könnte. Ich mache das immer so. Ich weiß nicht, warum.

Wie war das für Sie, als Sie das erste Mal in Japan aufgetreten sind? Das ist Ihre Heimat, und alle kamen um zu schauen, was Shoko Nakamura macht.

Mit K-Ballet war mein erster Profi-Auftritt in Tokio. Ich kenne Tetsuya Kumakawa, den Direktor der K-Ballet Company Tokyo. Ich hatte eine Gala in Japan getanzt. Es war die Prix-de-Lausanne-Gala in Japan und alle japanischen Tänzer, die den Prix de Lausanne gewonnen haben, tanzen diese Gala. Dort war Tetsuya Kumakawa und er hat mich gesehen und gefragt, ob ich in seiner Kompanie gastieren wolle. In Japan ist es etwas anders als hier, weil es dort nicht so richtige Theater mit Ballett- und Opernsparten gibt. Es gibt nur ganz selten Vorstellungen und die Karten sind sehr teuer. Aber das japanische Ballettpublikum hat sehr gute Augen, weil sie sich vor allem europäische Tänzer anschauen. Das Tanzniveau in Japan ist nicht so hoch, aber das Publikum ist durch die Gasttänzer ein sehr hohes Niveau gewohnt. Deswegen war ich sehr nervös, weil ich etwas zeigen musste, sonst hätte es geheißen, Shoko ist nichts Besonderes. Alle waren begeistert.

Warum kommen so viele japanische Tänzer nach Europa?

Sie möchten professionelle Tänzer werden und in einer professionellen Kompanie tanzen.

Aber können sie das nicht in Japan?

Aber wo? Es gibt dort nicht solche Schulen wie hier. Außerdem gibt es nur ungefähr fünf Kompanien und einige haben nur zwanzig Vorstellungen im Jahr. Das geht nicht. Ich weiß nicht, wie viel Gage sie bekommen, aber ich höre, dass man nicht nur vom Ballett leben kann. Man muss zusätzlich arbeiten.

Warum gibt es nur so wenige Vorstellungen?

Das Publikum kommt nicht, wenn nur japanische Tänzer tanzen. Sie wollen europäische Tänzer sehen. Das Hamburg Ballett oder das Staatsballett Berlin oder eine Gala. Aber sie gehen nicht hin, um eine rein japanische Vorstellung zu sehen.

In Japan sind Sie ein großer Star. Wie ist das, so bekannt zu sein?

Es ist ein wenig verrückt. Vor der Vorstellung bin ich in der Metro, um ins Theater zu fahren, und am Abend sagt meine Schwester: Ich habe im Internet gelesen, dass du diese und diese Schuhe anhattest, diese Tasche, diese Jacke ... schrecklich. Manchmal habe ich Angst und ich wünsche mir, die Leute würden mich nicht erkennen. Bis jetzt ist nichts passiert. Wenn ich mit meiner Familie oder meinem Kind unterwegs bin, habe ich manchmal ein wenig Angst. Nach der Vorstellung warten so viele Leute, um Fotos zu machen, oder mit Geschenken. So viele Geschenke! Süßigkeiten, Blumen und immer wieder Briefe: „Ich will sein wie du!“. Oder Zuschauer schreiben: „Das war eine schöne Vorstellung“ oder „Das gibt mir viel positive Energie“ ... Manchmal ist es auch ein wenig zu viel.

Ihre Eltern sind sehr stolz auf Sie?

Ja, natürlich, aber ich zeige meiner Mutter auch meine Schmerzen, mein Leid und sie sagt immer: Wenn es so weh tut, dann höre auf.

Ihr Berufsleben als Tänzerin ist tatsächlich sehr kurz. Sie haben wenig Zeit und müssen alles geben.

Meine Mama weiß das. Oft kommt sie zu Vorstellungen nach Europa. Ich will immer hundert Prozent geben und bis kurz vor der Vorstellung kämpfe ich, weil ich noch nicht perfekt bin. Und ich hoffe jedes Mal, dass ich meine richtige Interpretation für die Rolle finde. Ich brauche die Herausforderung, denn vielleicht finde ich vor der Vorstellung noch eine perfektere Bewegung, einen neuen Ausdruck, eine schönere Geste.

Haben Sie Angst vor der Vorstellung?

Die ist manchmal geradezu verrückt. Warum ist es nicht möglich, einfach auf die Bühne zu gehen? Warum spielt der Körper vorher verrückt? Manche Ballette kann ich einfach genießen und andere Ballette machen mir Angst.

Welche?

Zum Beispiel „Schwanensee“. Sobald ich mich im Theater schminke, ist der Stress weg. Dann suche ich die Spitzenschuhe und manchmal finde ich nicht die richtigen und bin ganz verzweifelt, denn ich muss sie finden. Dann ziehe ich das Kostüm an und warte in den Kulissen auf meinen Auftritt ... Nach der Schwangerschaft hat sich vieles verändert. Ich habe weniger Angst. Ich denke nicht mehr, ich müsste besser sein. Ich bin ruhiger geworden. Wenn unser Sohn Joel krank ist, dann habe ich mehr Angst als sonst. Aber wenn ich das Kostüm anhabe, dann habe ich keine Angst, dann bin ich nicht Shoko, sondern Tatjana, Schwan oder Manon.

Merken Sie an der Reaktion des Publikums, dass das ankommt, was Sie ihm geben? Schauen Sie sich Ihre Vorstellungen auf Video an?

Sofort nach der Vorstellung frage ich nach einer Kopie. Ich mache den Check. Damit bereite ich alles neu für die nächste Vorstellung vor. Meine Ballettmeister kennen meinen Körper nicht so gut, wie ich ihn kenne. Ich denke, ich bin sehr stark, und ich kämpfe. Daher konnte ich auch bisher so weit kommen. Aber wenn jemand diesen Willen zum Arbeiten und Kämpfen nicht hat, dann schafft er das nicht. Weil man wirklich jeden Tag an alles denken, hart an sich arbeiten und das auch zeigen muss. Und dazu noch gut tanzen. Das ist schwer.

Wie finden Sie Zeit für Ihr Kind und Ihren Ehemann, wenn Sie so versessen auf Tanz sind, so ein Kontrollfreak?

Als ich alleine war, hatte ich mehr Zeit und jetzt ist es wirklich schwer. Ich finde Zeit, aber nicht genug.

War das für Sie einfach, in Wien abzubrechen und nach Berlin umzuziehen?

Ja, weil ich mit Gyula Harangozó als Direktor nicht zufrieden war.

Aber Sie kannten dort das Ensemble, das Theater, die Stadt, hatten große Erfolge ...

Ja, aber im Ballett gab es keine Überraschungen mehr. Und ich war unzufrieden. Vielleicht hat Frau Traude das gesehen und sich gedacht, dass es für Shoko gut sein könnte, die Kompanie zu wechseln. Ich war damals schon sechs Jahre in Wien gewesen.

Wussten Sie damals, was Sie in Berlin tanzen würden?

Nein, nichts. Einmal bin ich nach Berlin gefahren und habe mir alles angeschaut und mit Vladimir gesprochen. Dann bin ich 2006 nach Berlin gezogen und habe angefangen mit dem Ensemble zu arbeiten. Und ich war schockiert, da das Level so hoch war: Polina Semionova war da, Beatrice Knop, Nadja Saidakova, Iana Salenko! Ich bekam einen Solistenvertrag und ich habe gedacht: Ich muss saugut sein. Am Anfang war es wirklich schwer. Ich hatte noch nie solche Ballerinen gesehen. Es war gut, dass ich nach Berlin gegangen bin. Und natürlich habe ich Wieslaw dort getroffen. Mein erstes Ballett mit dem Staatsballett Berlin war „Serenade“ von Balanchine. Am Anfang hatte ich gar keine Zeit, denn nach der Probe bin ich allein im Studio geblieben und habe weiter probiert. Ich habe nicht gedacht, ich will hier einen Freund finden, sondern: Ballett ist Ballett und Studio ist Studio. Wir müssen proben und gute Vorstellungen geben. Für mich war die Stadt egal. Das Theater ist mein Zuhause.

War Vladimir Malakhov Ihr Idol?

Ich komme aus Japan, dort ist Vladimir Malakhov ein großer Star. Wie ein Tanzgott. Natürlich war er ein Star für mich, aber mit der Zeit wurde er für mich zu einem Kollegen, denn wir waren einander wie gleichgestellt beim Arbeiten. Wir haben miteinander in Maurice Béjarts „Serait-ce la mort?“ getanzt und in „Schwanensee“ und in anderen Balletten. Ich habe eine Einladung zum Gastieren nach Wien bekommen und habe dort mit Vladimir den zweiten aus Akt „Schwanensee“ getanzt. Natürlich war ich sehr nervös. Ich wollte keinen Fehler machen, wenn ich mit so einem Star tanze. Aber er ist als Partner nicht wie ein Star. Er gibt einem das Gefühl, dass er ein ganz normaler Partner ist. Er ist so natürlich, ein normaler Mensch eben.

Sie haben erst einen Solistenvertrag bekommen, sind dann aber sehr schnell Erste Solistin geworden.

Vladimir mag Überraschungen. Das war nach der „Cinderella“-Vorstellung. Ich tanzte da das erste Mal mit Wieslaw zusammen. Diese Vorstellung war an meinem Geburtstag. Und nach der Vorstellung sollten alle auf die Bühne kommen. „Ich gebe Shoko den Titel Erste Solotänzerin“, verkündete Vladimir dann. Mit der Beförderung hat er mich wirklich sehr überrascht.

Sie haben in Berlin sehr schnell angefangen zu tanzen und hatten keine Zeit sich einzuleben.

Ich habe nichts gesehen von der Stadt, ich bin mir nie Berlin anschauen gegangen – ich hatte keine Zeit. Ich weiß nicht, wie es bei den anderen ist, aber Polina und Iana haben immer probiert. So ist das Leben einer Ersten Solistin. Ich habe in Berlin alles bekommen. Ich bin froh mit dem, was ich bis jetzt erreicht habe. Ich habe mit vielen Choreografen gearbeitet, habe viel gelernt. Wenn ich eine Chance bekomme, dann kämpfe ich und arbeite und dann möchte ich tanzen.

Da muss man wirklich hart arbeiten, um seine Position zu halten oder auch weiterzukommen. Aber wenn man auf der Bühne schon alles gibt, kann man dann noch etwas besser machen?

Natürlich, man kann es immer noch besser machen.

Gab es je die Situation, dass Sie, nachdem Sie Ihre Vorstellung auf dem Video angeschaut haben, zu sich sagten: Shoko, das hast du gut gemacht?

Nein! Das gibt es nicht! Vielleicht: Das war nicht schlecht. Oder: Es könnte besser sein. Man kann in einer anderen Vorstellung immer etwas Anderes zeigen. Es geht immer weiter und kann immer besser werden. Ballett ist schwierig und alles ist ohne Ende.

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